c
—
gleiche“ Wahlrecht ist eine scheinbar vorhandene Mitverantwortlichkeit
des Volkes entstanden. Eine Untersuchung der wahren Verhältnisse
ergibt jedoch, daß ein gleichberechtigtes Staatsbürgertum nicht vor⸗
handen ist, und daß die absolutistische Gewalt des Geldes das deutsche
Volk aufs neue zu völlig machtlosem Untertanentum herabgedrückt hat
Dies war nur möglich, weil die Form der Gliederung des deutschen
Staatsbürgertums heute die Masse ist. In der Masse ist der einzelne
Mensch machtlos. Die tatsächliche Gewalt geht auf diejenigen über,
welche im Besitze der Machtmittel sind, mit denen die Masse beeinflußt
werden kann. Der Kampf gegen diese Neuart des Untertanentums ist
schwerer wie der des 19. Jahrhunderts, denn die absolutistischen Fürsten
des Geldes sind nicht sichtbar, wie die einstigen absoluten Fürsten.
Deshalb muß das Staatsbürgertum von heute, welches seine
Freiheit und Verantwortlichkeit sowie seine Mitbestimmung gegenüber
der schwer erkennbaren Macht der unsichtbaren Fürsten behaupten will⸗
über eine besonders hohe politische Erkenntnis und Bildung verfügen.
Der Begriff des Staatsbürgers
Die materialistische Auffassung der modernen Zeit billigt nur der—
jenigen Tätigkeit Bedeutung zu, deren Erfolg in sichtbarem, materiellem
Gewinn beruht. Der verflachte moderne Mensch erkennt noch nicht
einmal den mittelbaren Gewinn an. Er will selbst, und zwar möglichst
umgehend die materielle Gegenleistung für seine Tätigkeit sehen. Jeder
Gewinn, der erst in ferner Zukunft, vielleicht sogar für spätere Ge—
schlechter, sichtbar wird, scheint ihm des Einsatzes seiner Kräfte nicht
wert. Aus diesem Grunde ist die staatsbürgerliche Betätigung im
Geiste unserer Zeit eine vernachlässigte Angelegenheit. Nur wenige
geben sich ihr mit Fleiß und Ernst hin. Diese Wenigen sind zum
Teil Idealisten, welche aus sittlichen Beweggründen ohne Hoffnung
auf Lohn oder Gegenleistung handeln. Zum anderen Teile sind es
Materialisten, welche nur ihren Interessen und damit ihrem Gewinn
dienen. Die breite Masse erkennt in der Ausübung der staatsbürger-
lichen Pflichten nur eine notwendige Nebenbeschäftigung, keineswegs
aber den höchsten Beruf im Staate.
48