Abfchnitt VIIL
VON PRIVATER ZU STAATLICHER
REGELUNG DER ARBEITSBEDINGUNGEN
(DIREKTE UND INDIREKTE SOZIALPOLITIK)
A; fich die Unmöglichkeit der Regelung der Arbeits-
bedingungen durch den freien Vertrag der einzelnen
Arbeitnehmer mit den Arbeitgebern herausgeltellt hatte
und der Staat im eigenen Interelle fich zum Eingreifen
genötigt fah, gab es zwei grundlätzlich verIchiedene Wege
dazu: Der Staat kann felbfit unmittelbar die Arbeitsbedin-
gungen beftimmen, durch Gefetz. oder Verwaltungsmaß-
nahmen, oder er kann die Organifierung der Arbeitnehmer
fördern, um fie in den Stand zu letzen, als geeinte Mallen
einheitlich die Macht in die Wag[chale zu werfen, die
den einzelnen fehlt, und dadurch zu wirklichen Verträgen,
zum Ausgleiche der beiderfeitigen Intereflen zu kommen.
Daß beide Wege nicht nur möglich und zweckmäßig,
fondern unentbehrlich find, zeigt am beften der Vergleich
der deutfchen Entwicklung mit der englifchen. Bei uns
entfprach es dem Charakter des Polizeiltaates, daß er mit
Verficherungs- und Schutzgefetzen für die Armen und
Bedrückten ([orgte, während jede (elbftändige Arbeiter-
bewegung mit färkftem Mißtrauen angelehen wurde. Man
darf nie vergellen, daß die Bismarckifche Sozialpolitik eine
Kehrleite hatte im Sozialiltengeletze, das nicht nur die
Sozialdemokratifche Partei, fondern auch die freien Ge-
werk({chaften mit Erbitterung verfolgte. Erf t im Kriege
hat fich diefes Verhältnis grundflätzlich gewandelt; die