Full text: Hansische Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte

VII 
GROSSHANDEL UND GROSSHÄNDLER IM LÜBECK 
DES 14. JAHRHUNDERTS 
Die!) letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts waren für Lübeck eine Zeit 
stürmischer Aufwärtsbewegung. Auf politischem Gebiete fällt in dieser 
Zeit die endgültige Entscheidung in dem Wettstreit zwischen der Genossen- 
schaft der deutschen Kaufleute auf Gotland und Lübeck zugunsten der 
Travestadt. Es hatte vorher geschienen, als ob die Wucht des deutschen Vor- 
stoßes in die Ostsee den Brennpunkt der deutschen Aktion über Lübeck 
hinaus nach Gotland verschoben hätte. Auf den Ufern Gotlands fanden sich 
die das Ostseegebiet bereisenden deutschen Kaufleute zusammen, wenn sie 
mit ihren Waren über See und Sand zogen. Gotland wurde auch der navi- 
gatorische Mittelpunkt der Ostsee. Und hier faßte dann die Genossenschaft 
der das gotländische Ufer besuchenden deutschen Kaufleute Beschlüsse, 
welche die Gesamtheit verpflichteten. Aber gerade in jenen Jahrzehnten 
schwanden die wirtschaftlichen und allgemeinen inneren Voraussetzungen 
jener Vorherrschaft der gotländischen Genossenschaft. Es war nur das 
äußere Sichtbarwerden einer sich mit innerer Notwendigkeit vollziehenden 
Wandlung, wenn zu Ende des 13. Jahrhunderts auch die politische Führung 
innerhalb der deutschen am Ostseehandel interessierten Kaufmannschaft auf 
Lübeck übergeht. Denn einmal hatte Gotland aufgehört, der Platz zu sein, 
wo die Waren auf der Fahrt von Lübeck nach dem Baltikum und auf der 
Rückfahrt die Schiffe, wohl auch den Besitzer wechselten?). Die technisch 
weiter fortgeschrittene Schiffahrt bedurfte dieses Stützpunktes nicht mehr 
in dem alten Maße. Dazu kam aber ein anderes, und das dürfte den tieferen 
Grund für den endgültigen Sieg Lübecks über Gotland abgegeben haben: 
eine Revolutionierung des kaufmännischen Betriebes so einschneidender 
Art, daß man von ihr an die Anfänge des modernen deutschen Kaufmanns 
datieren kann. Sie beruht letzten Endes auf dem bewundernswerten Ge- 
schick, mit dem der hansische Kaufmann seit der Mitte des 13. Jahrhunderts 
mit Hilfe der Schriftlichkeit seinen ganzen Betrieb auf eine vollkommen neue 
Grundlage stellte. Denn um hier vorweggreifend gleich auf den Kern der 
Wandlung loszugehen: im 14. Jahrhundert ist es für die Oberschicht des 
Lübecker Kaufmanns endgültig vorbei mit jenem kaufmännischen Typ der 
Frühzeit, mit dem Kaufmann, der seine Ware in der Regel selbst begleitete, 
sie am Ort der Bestimmung verkaufte und selbst die Retouren einkaufte®). 
Nicht, als ob damit das Reisen des Kaufmanns aufgehört hätte. Bei wesent- 
lichen Anlässen unternahm der Kaufmann des 14. Jahrhunderts genau so 
zut seine Reisen wie der des 20, Jahrhunderts. Solche Anlässe waren etwa
	        
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