nach sechs Wochen ausgezahlt, aber auch dann wird noch der
Lohn von vier Wochen zurückbehalten. Verlangt der Arbeiter
einen „Vorschuß“, d. h. einen Teil des Lohnes, den er längst ab-
gearbeitet hat, so muß er dafür Zinsen zahlen. Bleibt ein Arbeiter
einen Tag unentschuldigt von der Arbeit fern, so wird der Lohn
der letzten vier Wochen einbehalten. Auf diese Weise werden
den Arbeitern Bombay jährlich 11 000 Pfund Sterling gestohlen.
Um so höher sind die Gewinne der Kapitalisten. In einzelnen
Jutefabriken werden alljährlich doppelt so viel Dividende aus-
geschüttet wie Löhne gezahlt; Brailsford hat festgestellt, daß
20% Gewinne der Durchschnitt sind, daß aber auch Dividende
von 200 bis 250%, in einem Falle sogar von 400% ausgeschüttet
wurden. Dabei geht man wohl kaum fehl in der Annahme, daß
in Indien ebensowenig wie in unseren großen Unternehmungen
lie Dividende wirklich die Höhe der Gewinne repräsentiert.
Die japanische Konkurrenz hat die indischen Unternehmun-
gen veranlaßt, zu „rationalisieren‘. Damit hat die schamlose
Ausbeutung ihren Höhepunkt erreicht. Das bedeutete Lohn-
senkung um ein Fünftel und straffe Einhaltung der 60-Stunden-
Woche. Um darauf mit einem Streik zu reagieren, dazu bedurfte
es wahrhaftig einer bolschewistischen Hetze nicht. Auch
Bürgerliche schildern die Lage der indischen Arbeiterschaft als
völlig trostlos. M. G. Desai, der sich auf Burnett Hurst (Arbeit
und Wohnung in Bombay) stützt, schreibt:
„Die Arbeiter schlafen gewöhnlich in den Straßen, auf offe-
nen Plätzen, in Verandas, in Korridoren, in Höfen. 53% aller
Industriearbeiter Bombays bezahlen keine Wohnungsmiete,
weil sie keine zu bezahlen vermögen. Wer aber eine Wohnung
hat, lebt unter Umständen noch schlechter als diejenigen Ar-
beiter, welche im Freien übernachten müssen, Die schlechtest-
bezahlten dieser Arbeiter wohnen in Hütten, deren Wände und
Dächer aus zurechtgebogenen Blechen alter Petroleumkannen
bestehen. Es gibt da keine Fenster. Der Fußboden befindet sich
drei Zoll über der Erde; wenn der Monsunregen fällt, wird er
gewöhnlich überschwemmt.. Ist es zu verwundern, wenn von
1000 Kindern, die in der Stadt geboren werden, 572 im ersten
Lebensjahre sterben? . . . Das grauenhafte Bild von Kinderelend,
das sich hier abwickelt, wird nur ergänzt durch die Tatsache,
daß 98% aller Arbeiterkinder mit Opium eingeschläfert werden,
damit die Mutter in die Fabrik gehen kann. So kommt es, daß
das durchschnittliche Lebensalter‘ des indischen Arbeiters nur
23,5 Jahre beträgt, während man beim europäischen Arbeiter
mit rund 40 Jahren rechnen darf.“
Fast am hoffnungslosesten liegen die Verhältnisse in Süd-
afrika, denn dort ist die ganze Wirtschaftspolitik noch darauf
eingestellt, daß die ursprüngliche holländische Kolonie am Kap
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