V. Eignung und Bildung für den Beruf des Buchhändlers. 61
arbeiter gebrauchen. Zuverlässig und schnell arbeitende Auslieferer
und Speditionsgehilfen seien nötig, nicht Denker; Bildung mache nur
unruhige Köpfe. Heute wird vielfach die Anschauung vertreten, daß
nur junge Leute mit den wissenschaftlichen Befähigungen, die früher
an das Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis geknüpft waren, als Lehrlinge
in den Buchhandel aufgenommen werden sollten. Diese Forderung
trifft wohl ebensowenig. das Richtige, wie die zuvor mitgeteilte
des jede wissenschaftliche Bildung ablehnenden Querkopfes.
Um auf den richtigen Weg zur Beantwortung der Bildungsfrage
zu kommen, müssen wir uns in erster Linie darüber klar sein, daß
die Anforderungen, die an die Leistungen der Gehilfenschaft im Buch-
handel gestellt werden, so vielfach verschiedener Art sind, daß es
zunächst einer Auseinandersetzung hierüber bedarf.
Wie im Beamtenkörper des Staats, z. B. bei der Reichspost, eine
untere, mittlere und obere Laufbahn, jede von der anderen scharf ab-
gegrenzt, unterschieden wird, so sehen wir diese drei Angestellten-
schichten auch im Buchhandel, Die untere Angestelltenschicht ist die
der Markthelfer und Schreiber, die mittlere Schicht die der Ge-
hilfen, die ausschließlich die kaufmännischen Arbeiten: Spedition,
Auslieferung, Rechnungs- und Buchhaltungsarbeiten usw. zu er-
ledigen haben, die dritte, die Oberschicht, sind die Verlagsgehilfen
für Herstellung und Vertrieb, die Sortimenter, Antiquare, „bilanz-
sicheren“ Oberbuchhalter, aus denen sich die Anwärter auf leitende
Stellungen rekrutieren, soweit sie nicht die Selbständigkeit als
Firmeninhaber anstreben und erlangen.
Die untere Angestelltenschicht scheidet bei der weiteren Behand-
lung der Bildungsfrage vollständig aus. Wir werden uns also im
folgenden nur mit den beiden anderen Arten der Gehilfen zu be-
schäftigen haben.
Im Leipziger Kommissionsgeschäft war es vor Jahren üblich,
Lehrlinge mit guten Abgangszeugnissen von der Volksschule nicht
als Buchhandlung slehrlinge, sondern als Schreiber lehr-
linge anzustellen. Ihre Lehrzeit dauerte vier Jahre; während der
ersten drei Jahre waren sie zum Besuch der Buchhändler-Lehranstalt
verpflichtet. Hatte der Lehrling ein gutes Zeugnis der Lehranstalt,
hatte er sich auch in der Praxis, namentlich im vierten Lehr-
jahre, wo er zumeist schon einen Gehilfenposten versehen mußte,
gut bewährt, so konnte ihm ein Lehrzeugnis ausgestellt werden, das
ihn zum Buchhandlungsgehilfen machte. Heute ist das anders.
Jeder junge Mann, der eine dreijährige Lehrzeit in einem buch-
händlerischen Geschäft bestanden hat, hat Anspruch auf ein Ge-
hilfenzeugnis, und das gilt für Leipzig wie für alle Plätze im Reich,
Sind nun diese Gehilfen mit Volksschulbildung, die im Buchhandel
in großer Anzahl vorhanden sind und alljährlich neuen und reich-
lehen Zuwachs erhalten, eine unqualifizierte Mitarbeiterschaft, weil