Full text: Zum Wiederaufbau Deutschlands und Europas

Zum Wiederaufbau Deutschlands und Europas. 
Ein- und Ausblicke in Weltwirtschaft und Chemie. 
Von Dr. W. A. Dyves, Berlin-Wilmersdorf. 
K 
Die zweite Periode der Kriegsiolgezeit. 
Der jetzt heranwachsende Deutsche gleicht dem jungen Berg- 
;teiger, der auf dem schmalen Grat. manchmal belästigt von 
3chwindelgefühl, einem fern liegenden Ziel unter harten An- 
;trengungen entgegengewandert, Rechts von ihm liegen die Gefilde 
seines Landes, entwickelt und zu Gedeihen gebracht durch die 
nühsame Arbeit seiner Vorfahren und dann belastet mit. den 
jegativen Erfolgen der letzten Generationen und ihrer Führer. 
Links dehnen sich bis in weite Fernen die ihm fast unbekannten 
zebiete fremder Länder aus, in denen gleichfalls Menschen und 
Völker ähnlicher Begabung ihr Dasein zum Teil mühelos, zum 
Feil unter ähnlichen Entbehrungen und Arbeitslasten verbringen. 
Der Grat kann zum Erfolge versprechenden Ziele führen, wenn 
jer Blick sich nicht einseitig in die Vergangenheit wendet und 
mmer wieder an. das bisher auf der rechten Seite Geschaffene 
ınd zum Teil Vergangene zurückschweift. Nur die Erkenntnis 
ınd der Einblick in alles das, was auch auf der linken geschah, 
zeschieht und weiter erreicht wird, zerstört die Weltfremdheit. Vor 
allem braucht der emporklimmende Deutsche klare, die Wahrheit 
nicht scheuende Augen und Sinne, ohne falsche Illusionen über 
jen langen, beschwerlichen, an abgrundtiefen Stellen vorbeifüh- 
‚enden. schmalen. aber sicheren Pfad. 
Der Ersatz der durch den Krieg in ganz Europa (nicht in den Ver. 
Staaten von Amerika) erlittenen Kapitalverluste erfordert Dekaden. 
Ganz Europa hat hart zu arbeiten. Der „Economist“ vom 2. August 1924 
sagt: „Wenn die Wirtschaftler vor 10 Jahren gewußt hätten, was jeder 
Mann heute weiß, so wären es die wirtschaftlichen Probleme nicht der 
Kriegszeit, wohl aber der langen Jahre nach dem Kriege gewesen, die 
sie mit Furcht erfüllt hätten.“ 
Prof, Noyes stimmte mir zu, als ich meinte, daß die Periode der letzten 
Jahrzehnte vielleicht in der Geschichte als das „Zeitalter der Stupidität‘“ be- 
zeichnet werden würde. Jetzt finde ich im Spectator laut Wirtschaftsdienst 
jolgende englische Bestätigung: „Die Geschäfte der Welt wurden sehr übel 
in Versailles geführt. Keine der Hauptpersonen war der Aufgabe gewachsen, 
und am wenigsten, in ihrer besonderen Art, Lloyd George und Präsident 
Wilson. Wenn sie dümmer gewesen wären,. hätten sie wahrscheinlich 
Besseres vollbracht. Schlimmeres hätten sie kaum zustande bringen können. 
Der idealistische Teil der Versailler Abmachungen ‘war schwätzerisch, futil, 
olutarm und schlecht gebaut. Der opportunistische war oft niedrig und grau- 
sam. Die Regelung als Ganzes war eine schlammige Mischung von Hochmut 
and Unwissenheit, Zynismus und Egoismus. Dennoch wäre es töricht, die 
Sache allzu tragisch zu betrachten. Wir dürfen nie vergessen, daß die Mehrheit 
jer menschlichen Handlungen auf allen Gebieten töricht und belanglos ist.“ 
— Leider kommt diese Erkenninis. in allen Ländern reichlich spät.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.