VEREINIGUNG UND VERFLECHTUNG
Jahresbilanz der Konzentration und Internationa-
lisierung der deutschen Wirtschaft
$- Berlin, 23. Dezember
Konzentration — eine Welterscheinung
Die alte schlichte Erzählung vom sterbenden Alten, der seinen
Söhnen Wirkung und Nutzen des Zusammenschlusses durch das
Bündeln der einzelnen zerbrechlichen Stäbe klarmachte, ist in
der Wirtschaft Deutschlands wie auch der andern großen Wirt-
schaftsländer im sturmreichen Jahre 1929 in weitem Maße durch
die Tat verwirklicht worden. Zwar war vieles, was gebunden
wurde, nicht wurzelkrank und schwach, vielmehr kam in weitem
Umfang einmal das natürlich-organische Wachstum der Großwirt-
schaft, zum andern die Anziehungskraft der Großgebilde für
weniger schlagkräftige, wenn auch bislang gesunde Teile der
Wirtschaft zur Auswirkung. Die Konzentration ist gleichzeitig
in die Tiefe und in die Weite gerichtet. Deutschland sah nicht
ohne Sorge gerade im verflossenen Jahresabschnitt Riesengebilde
in derausländischen Wirtschaft wachsen und arbeiten. In
Amerika, wo Konjunktur und Kapitalnot noch am wenigsten
zur Großkonzentration zu zwingen scheinen, haben sich ge-
waltige Blocks im Bankwesen, in der Elektro- und Kabelindustrie
und auf zahlreichen andern Gebieten gebildet. In England
setzte sich die Zusammenschlußidee mit weit größerer Nach-
drücklichkeit als in den Vorjahren durch (Zwangsfusionierungs-
pläne im Kohlenbergbau). Belgien, Frankreich, Schweden und
die östlichen Staaten faßten wichtige Teile ihrer nationalen Wirt-
schaft ebenfalls straffer zusammen, teils als Nebenwirkung pro-
tektionistischer Programme, teils als Gegenmittel gegen die inter-
national gewordenen Sorgen des Wettbewerbs, der Ueberfrem-
Ädungsgefahr oder des Sanierungsbedürfnisses. Die Riesen-
konzernrebilde sind Hauptpfeiler der modernen Großraumwirt-
schaft, zuweilen sogar Staatsfinanziers, wie der Kreuger-Trust,
seworden. Auch das theoretisch antikapitalistische Rußland
kommt, wie der neue Industrieplan zeigt, nicht an Sammlung und
Straffheit vorbei. Angesichts dieses weltwirtschaftlichen Ver-
trustungs- und Konzentrationsdranges verliert die neuere Kon-
zentrationswelle in Deutschland etwas an Wucht des Eindrucks;
sie stellt sich zum andern weitgehend als unabwendbar und
Aringlich dar.
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