II. Abschnitt.
Stand der Wasserversorgung in Bayern am 1. Januar 1928,
„Nach den bisherigen Erfahrungen des Landesamtes für Wasserversorgung tritt eine
volle Befriedigung der Orte nur dann ein, wenn Wasserwerke geschaffen werden, welche
Jie Einrichtung von Wasserentnahmestellen in allen Häusern und Stockwerken und die
weitestgehende Benützung der Anlage zu Feuerlöschzwecken ermöglichen.“ Mit diesen
Worten hat der erste Vorstand des Landesamtes für Wasserversorgung, Ministerialrat
Ritter von Brenner, die Vollversorgung der Orte durch Wasserleitungen, welche das
benötigte Trink- und Brauchwasser durch Hausanschluß in das Innere der Häuser
schaffen und bei Feuersgefahr rasche und verlässige Wasserhilfe gewährleisten, als das
arstrebenswerte Ziel hingestellt. Freilich ist dieser Grad der Wasserversorgung vielfach
nicht oder nur mit Überwindung großer Schwierigkeiten erreichbar. Gar oft stellen sich
Jen fortschrittlichen Bemühungen der Hang am Altgewohnten und die Scheu vor den
Kosten hindernd in den Weg. Und tatsächlich wird auch bei einer großen Zahl von Ort-
schaften, namentlich bei verstreut liegenden Einzelanwesen und kleinen Orten, eine neu-
zeitliche Wasserversorgung wegen der hohen Kosten kaum durchführbar sein, sei es, daß
kostspielige Tiefbohrungen oder unverhältnismäßig lange, weitverzweigte und daher unwirt-
schaftliche Zuleitungen erforderlich wären. Hier wird die bisherige Versorgung aus Pump-
drunnen, Quellen, Zisternen usw. wohl auch in Zukunft fortbestehen,
Nach Art und Umfang der vorhandenen Wasserversorgung werden im folgenden dıei
große Gruppen von. Ortschaften und damit drei Stufen des Wasserversorgungsstandes
unterschieden:
1. Durch Wasserleitung ganz versorgte Orte. ;
2. Durch Wasserleitung teilweise versorgte Orte.
3. Orte ohne Wasserleitung.
Als ganz versorgt gelten hierbei jene Ortschaften, bei denen mindestens, neun
Zehntel der Wohngebäude Hausanschluß an eine Wasserleitung haben oder die Vollver-
sorgung durch mitgespeiste Laufbrunnen oder durch besondere Laufbrunnenanlagen mit
sigener Wassergewinnung und Wasserzuleitung erreicht wird.
Vielfach werden mehrere Ortschaften durch ein Leitungsnetz ganz oder teilweise ver-
sorgt. Diese Fälle werden im folgenden als Mehrortsversorgung bezeichnet und behandelt.
Im Gegensatz dazu steht die Einzelortsyersorgung durch solche Wasserleitungsanlagen
mit selbständiger Wassergewinnung, die sich auf den betreffenden einzelnen Ort beschränken.
Die Mehrortsversorgung kann in zwei verschiedenen Formen erfolgen. Einmal so,
Jaß mehrere Gemeinden und Ortschaften durch eine gemeinsame Wasserversorgungsanlage
versorgt werden. Man spricht dann von Gruppenversorgung. Als Gruppenwasser-
versorgungen werden hiernach solche Versorgungen mehrerer Ortschaften aufgeführt, bei
denen Orte mindestens zweier politischer Gemeinden beteiligt sind und die Anlage oder
yenigstens Hauptbestandteile derselben durch Vereinbarungen oder Bildung einer Genossen-
schaft oder eines Vereins oder eines Zweckverbandes gemeinsamer Besitz sind. Wie
bereits im vorigen Abschnitt erwähnt, ist die gruppenweise Wasserversorgung mehrerer
Gemeinden und Ortschaften auch durch Bildung einer Genossenschaft durch die sich
beteiligenden Anwesensbesitzer möglich. Sonstige Mehrorisversorgung ist dann
gegeben, wenn von ‘der Wasserleitung einer politischen Gemeinde mehrere Ortschaften
dieser Gemeinde versorgt werden oder wenn mehrere Ortschaften der gleichen politischen