Die europäische Getreidefrage a
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IV. DIE UMGRUPPIERUNG DES WELTMARKTES NACH DEM
KRIEGE
1. DIE ENTEUROPÄISIERUNGSTENDENZ IN DER WELTWIRTSCHAFT
Der Weltkrieg ist in erster Linie und trotz der Mitwirkung der
Vereinigten Staaten von Amerika ein europäischer Krieg gewesen,
Seine Folgen treffen daher auch in erster Linie die europäische Wirt-
schaft. Schon unsere bisherigen Betrachtungen haben uns gezeigt,
daß außerhalb Europas die Industrieentwicklung während des Krie-
ges zu einer bisher ungeahnten Vorwärtsentwicklung in einzelnen
Ländern führte, wobei die Vereinigten Staaten von Amerika, Ka-
nada, Indien und Japan an der Spitze standen. Andererseits hat der
Krieg in Europa kein einziges Wirtschaftsgebiet zurückgelassen, von
dem man sagen könnte, daß es in industrieller Hinsicht gegenüber
der Vorkriegszeit profitiert habe.
Aber keineswegs in diesem zunächst in die Augen springenden
Punkte liegt allein die Veränderung, welche der Krieg bezüglich des
wirtschaftlichen Schwergewichts Europas hinterlassen hat.
Zunächst liegt die stärkere Belastung der europäischen Wirtschaft
zugunsten der außereuropäischen Wirtschaft auf dem Gebiet der
Nahrungsmittelversorgung. Hier ist vor allem an die Versorgung
mit Zereralien zu erinnern. Die Ereignisse auf dem Weltmarkt seit
der Mitte 1924 haben gezeigt, welche Blöße der europäischen Ver-
sorgung durch den Fortfall der russischen Erzeugung und Export-
fähigkeit zuteil geworden ist. Der Bedarf Rußlands, der sich ge-
radezu in einen Importbedarf verwandelt hat, die gleichzeitige Ver-
schlechterung der kanadischen Ernten, die relativ geringe Hinüber-
nahme von Weizen amerikanischer Ernten in die neue Saison, führ-
ten seit dem Herbst 1924 zu einer Weizenhausse, wie man sie seit
den außergewöhnlichen Kriegszeiten nicht erlebte. Eine vom eng-
lischen Economist veröffentlichte Tabelle — nach Angaben des in-