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Da nun, wie wir oben (S. 103 f.) sahen, die gesamte Markt
reife wieder vor Werkreife geht, so lautet dieser Satz in anderer
Form:
Das F i n a n z k a p r t a l geht vor Industrie
kapital (auch vor Landwirtschafts- und Bergbaukapital)
oder noch allgemeiner: Kreditwesen geht vor
Erzeugungswesen.
Diese Sätze mögen für die gegenwärtige, liberal-indi
vidualistisch organisierte (oder vielmehr desorganisierte) Wirt
schaftsweise traurig klingen, wenn man bedenkt, welche durch
aus führende Bedeutung man dann dem heute so oft versagenden
Börsen- und Großbankwesen zuerkennen muß. Aber es wäre
zwecklos, wie der Vogel Strauß die Augen in den Sand zu stecken.
Die Wirtschaftspolitik wird diesen Satz nie
umstoßen können, aber sie kann ihn un
schädlich machen, wenn sie an eine gemein
nützige, z. B. fachlich-produktivgenossen
schaftliche, ständisch-zünftige und staatliche
wie gemeindliche Umbildung der Marktreife
des Geldes geht. Nicht daß diese Bedingung des
Warenhandels wie der Erzeugung ist, kann einen Anklagepunkt
bilden — denn das liegt in der Natur der Dinge und war
zu allen Zeiten so, es war auch im Mittelalter so
und müßte sogar in einer kommunistischen Wirtschaft, wenn
diese sonst möglich wäre, ebenso sein — sondern nur, daß sie
diese Bedingung schlecht erfüllt.
Bisher war die Frage des Vorranges insofern eindeutig
zu lösen, als der Entscheidungsgrund für den jeweiligen Vorrang
in dem Satze liegt: „Das Ganze ist vor dem Teile", „Das
höhere Ganze ist vor dem niedern"; und als das Zentral-Ganze
(in der Gemeinsamkeilsreife) und das jeweils höhere Zwischen-