Anwendung auf Betriebsräte, die gemäß dem Betriebs-
rätegesetz die Arbeiter und Angestellten in den Ver-
waltungsräten für Aktiengesellschaften vertreten.” Aus-
nahmen von diesen Bestimmungen können nur vom
Parteivorstand zugelassen werden, und zwar für solche
Parteimitglieder, die vom Bund, vom Land oder einer
Gemeinde oder von wirtschaftlichen Körperschaften in
den Verwaltungs- oder Aufsichtsrat einer Aktiengesell-
schaft entsendet werden; in diesem Falle haben sie die
aus ihrer Betätigung einfließenden Tantiemen an die
entsendende Körperschaft abzuführen.
Der Einfluß der Sozialdemokratie auf die ihr zuge-
hörigen Volksschichten ist ungemein nachhaltig, er findeı
seinen Ausdruck nicht allein in der Tätigkeit der poli-
tischen Organisationen, sondern auch in ihrer Presse,
und in einem dichten Netz unpolitischer, den einzelnen
Menschen auf den verschiedensten Gebieten seiner Be-
tätigung erfassender Organisationen. Die sozialdemo-
kratische Partei verfügte am 31. Dezember 1027 über
7 Tagesblätter mit einer Auflage von rund 250.000
Exemplaren, über 17 Wocigenblätter mit einer solchen
von über 185.000 und über 10 Monatsschriften mit eineı
Auflage von rund 566.000 Exemplaren. 8 Partei-
druckereien in den größten Städten der Republik und
5 Parteibuchhandlungen dienen der Herstellung und dem
Vertriebe einer reichen Parteiliteratur. Der Sozial-
demokratische Schulverein „Freie Schule-Kinderfreunde”,
der Touristenverein „Die Naturfreunde”, der Arbeiter-
Abstinenten-Bund, Arbeiter-Gesang- und Musikvereine,
Arbeiter-Turn- und Sport-Vereine, Arbeiter-Steno-
graphen- und Radiovereine, besondere Kunststellen
bemühen sich, den sozialdemokratisch gesinnten Arbeitern
und Angestellten und ihren Kindern ein Stückchen Platz
an der Sonne des Lebens zu sichern,
Der Einfluß des Sozialismus, der den einzelnen
Menschen von so vielen Seiten her, so durch die freien
Gewerkschaften bei seinem beruflichen, durch die
Genossenschaften bei seinem Interesse als Konsument
erfaßt, äußert sich naturgemäß am nachhaltigsten dort.
WO sozialdemokratisch gesinnte Bevölkerungsteile dicht
beisammen wohnen. Während die anderen Parteien
Desterreichs ihre Hauptstärke in den Gemeinden mit
weniger als 2000 Einwohner besitzen, hat die Sozial-
demokratie bei den Nationalratswahlen in den Orten
mit mehr als 2000 Einwohnern mehr als die Hälfte der
abgegebenen Stimmen auf ihre Kandidaten vereinigt;
in den Industriedörfern, in den Märkten und Städten
der Republik ist sie, auch nach dem im Jahre 1920 er-
folgten Ausscheiden ihrer Staatssekretäre ‘aus der
Regierung der Republik, Gemeindeverwalterin geblieben.
376 Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von 3,054.167
oder 46'73°% der Bevölkerung der Republik
werden von sozialdemokratischen Bürger-
meistern verwaltet.
Die fast zehnjährige Verwaltung dieser Gemeinden,
insbesondere die der Gemeinde Wien, hat zum ersten-
mal in der Geschichte Beispiele dafür geliefert, wie
Sozialdemokraten verwalten; die Leistungen. beispiels-
weise der Gemeinde Wien auf dem Gebiete der. sozialen
"ürsorge, der Schule, des Wohnungsbaues, der Führung
5ffentlicher Unternehmungen, das von ihr‘ eingeführte
5teuersystem haben große Aufmerksamk&it selbst über
die Grenzen Europas hinaus errungen.
Die österreichische Sozialdemokratie, ein Glied der
‚Sozialistischen Arbeiter-Internationale”, an deren Wie-
leraufrichtung nach dem Krieg sie insbesondere durch
das Wirken Friedrich Adlers größten Anteil hat, genießt
unter den sozialistischen Parteien besonderes Ansehen:
sie hat in Oesterreich die geschlossene Einheit der Ar-
beiterbewegung bewahrt und damit das Aufkommen
ziner kräftigen Kommunistenbewegung verhindert. Ihre
Politik wird von den Arbeiterparteien, die in größeren
Staaten, ja in Großstaaten, zur Teilnahme an der
tegierung berufen sind, als vorbildlich angesehen; die
Werke der wissenschaftlichen und politischen Literatur
der österreichischen Sozialdemokratie beeinflussen über.
all, wo es eine klassenbewußte Arbeiterbewegung gibt.
das Denken weitester Massen.
ZEHN JAHRE ARBEIT DER GROSSDEUTSCHEN VOLKSPARTE]
Von Präsident Dr. Leopold Waber
Durch das Friedensdiktat von St. Germain wurde die
alte österreichisch-ungarische Monarchie zertrümmert und
als neues Österreich blieb ein kleiner, verstümmelter
Staat übrig. Das Selbstbestimmungsrecht, das der Präsi-
dent der Vereinigten Staaten, Wilson, verhieß, blieb dem
deutschen Volke vorenthalten. So konnte auch „Deutsch-
Österreich” den Beschluß der provisorischen National-
versammlung vom 12. November 1918, der es als. Teil
der deutschen Republik erklärte, nicht durchführen. Durch
diese Tatsache wurde die zukünftige Richtung für die
nationale Politik in Österreich bestimmt, sowohl nach
außen als auch im Innern. Wenn es die Aufgabe der
nationalen Außenpolitik ist, allmählich die politischer
Voraussetzungen für den Anschluß zu schaffen und anderer-
seits alles zu verhindern, was zu einer politischen Bin-
dung Österreichs in einer dem Anschlußgedanken schäd-
lichen Form führen könnte, so muß die Stellung der
nationalen Politik zu dem ganzen Komplex der innen-
politischen Fragen von dem Gedanken beherrscht sein,
die Angleichung der rechtlichen und wirt-
schaftlichen Verhältnisse an die des Deut-
schen Reiches durchzuführen und Österreich selbst so
lange zu erhalten, bis der Anschluß vollzogen werden kann.
Als das neue Deutschösterreich daranging, seine er-
zwungene staatliche Selbständigkeit einzurichten, ent-
behrte das nationale Fiement in diesem neuen Staate
‚ener politischen Geschlossenheit, deren sich die anderen
politischen Richtungen seit Jahrzehnten erfreuten. Bei