108 Sechstes Kapitel. Die Entwicklung der römischen Weltwirtschaft.
Bruders fortzusetzen und bemühte sich ebenfalls, das Proletariat, die
Kleinbauern und die Geldleute zu einem einheitlichen Vorgehen
gegen die aristokratischen Großgrundbesitzer zu bringen (Appian,
Bürgerkriege I, 22), eine Konstellation, wie wir sie in den letzten
Revolutionen in Mitteleuropa auch kennen gelernt haben. Die Auf
teilung von Staatsland in Italien und die Anlegung überseeischer
Kolonien, so in Korinth und Karthago, war eines der Ziele des
Gajus Gracchus (Appian, Bürgerkriege I, 23). Daneben trat er
für ausgiebige Getreideverteilungen ein (Appian, Bürgerkriege 1,21).
In den folgenden Kämpfen wurde auch Gajus von der Senats
partei erschlagen (Plutarch, Gajus Gracchus 17). Die Acker
kommission wurde aufgehoben und den neuen Kolonisten ein neues
Recht gewährt, mit dem man sie möglichst rasch zugrunde zu richten
hoffte, man machte nämlich alle Bauernstellen zu solchen vollen
Rechtes, d. h. sie konnten frei veräußert werden, worauf das be
kannte Schicksal über sie hereinbrach (Appian, Bürgerkriege I, 27).
Dies alles besiegelte den endgültigen Untergang der freien Bauern
schaft, die so aus dem Heere allmählich verschwand, bis zu Ende
des 2. Jahrhunderts Marius das besitzlose Proletariat ins Heer
aufnahm. Auch dann kam es wieder zu Landverteilungen. Während
aber bis dahin die Bauerustelle einen Krieger lieferte, wenn das
auch nicht gerade immer die Absicht der Reformen war, so war
nun die Bauernstelle der Lohn für den Krieger. Es begann eine
furchtbare Besiedlungspolitik, indem man schließlich aus Städten
und Ortschaften die Einwohner vertrieb, um Platz für die Vete
ranen zu bekommen, die so der Feldherr für seine künftigen Pläne
— oft gegen den Staat — zu seiner Verfügung hatte.
Für die römischen Kleinbauern war die Frage der Verschul
dung von großer Bedeutung. Die ältere Behandlung des Zahlungs
unfähigen war eine überaus harte. Man scheint von dem Stand
punkt ausgegangen zu sein, daß derjenige, der eine Schuld nicht
zurückzahle, etwa einem Dieb gleichzuhalten sei, wie dies ja
bei der Sachleihe vielfach zutrifft. Wer einen entliehenen Pflug
nicht zurückgab unterschied sich nicht viel vom Dieb. Als aber
die Zahlungsunfähigkeit in wachsendem Maße nicht durch eigene
Schuld erzeugt und vorwiegend Geld geschuldet wurde, — die Um
wandlung der Strafsätze aus Viehsätzen in Geldsätze war schon im
5. Jahrhundert erfolgt —, trat das Schreckliche eines Schuldrechtes
hervor, das nicht davor zurückscheute, im äußersten Falle den
Schuldner und die Seinen zu Sklaven zu machen, sei es, daß der