Full text: Stenographischer Bericht über die Versammlung vom 12. Juni 1909 im Zirkus Schumann zu Berlin betreffend Reichsfinanz-Reform und Gründung des Hansa-Bundes

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tung nur dafür zu existieren scheinen, um Lasten zu übernehmen, 
Steuern zu zahlen und — den Mund zu halten. (Lebhafter Beifall.) 
M. H.! Ein derartiges Verfahren hielt man gegenüber den 
Ständen für angemessen, welche ihrerseits allezeit zu Opfern 
für das Vaterland bereit gewesen sind, und auch heute, was 
allerdings von jedem Stande zu verlangen ist, im Interesse 
des Zustandekommens der Finanzreform, also im Interesse 
des Vaterlandes, zu jedem erträglichen Opfer bereit sind. 
Ein solches Verfahren hielt man für erlaubt gegenüber 
den Ständen, welche ihrerseits die Landwirtschaft als solche 
nicht bekämpfen, die vielmehr, wie ich auch in dieser Stunde 
des Zorns und der Erbitterung feststellen möchte, sich schon 
lange zu der Ueberzeugung durchgerungen haben, dass sie im 
Interesse der Gesamtwirtschaft verpflichtet sind, einem für die 
letztere so überaus wichtigen Stande, der deutschenLandwirtschaft, 
jede nur irgend mit dem Wohl des Ganzen verträgliche 
Erleichterung und Förderung angedeihen zu lassen. 
M. H.! Ein solches Verfahren hat man sich gestattet in 
einer Zeit, wo sich endlich, lange vor der Blockpolitik, in 
allen Lagern in überaus erfreulicher Weise die Zahl der ein 
sichtigen und versöhnlichen Elemente erheblich vermehrt hatte, 
die davon durchdrungen sind, dass der Staat nur gedeihen 
kann, wenn das suum cuique auch die eiserne Grundlage 
seiner Wirtschaftspolitik bildet. (Bravo!) 
Aber, m. H, alles Bisherige ist durch die jüngsten Vorgänge 
in der Finanzkommission des Reichstages noch Uberboten 
worden. Nach dem Ausscheiden der liberalen Abgeordneten, 
denen wir in dieser Stunde unseren Dank und unsere volle 
Anerkennung auszusprechen nicht verfehlen wollen, (Bravo!) 
hat man den Moment für gekommen erachtet, um der längst 
lästig gewordenen Blockpolitik auch offiziell den Abschied zu 
erteilen und zu dem letzten grossen Schlage gegen Handel und 
Industrie auszuholen. 
M. H.! Dies geschah in einer Kommission, welche ihren 
Beruf zur Gesetzgebung schliesslich derart betätigte, dass man, 
wozu es lediglich einer gewissen Fingerfertigkeit bedarf, die 
Papierschere au die Stelle der auch die wirtschaftlichen 
Folgen abwägenden sachkundigen Ueberlegung treten liess. Ohne 
auch nur die nötigsten und selbstverständlichsten Aenderungen 
vorzunehmen, hat man in dieser Weise die verschiedensten und 
unter ganz verschiedenartigen Bedingungen entstandenen Steuer 
ordnungen in- und ausländischer Staaten und Städte so lange 
herausgeschnitten, bis man die nötigen 500 Millionen zusammen 
geschnitten hatte. (Sehr gut!) Es wäre wahrlich eine Kleinig 
keit gewesen, bei diesem Verfahren auch 1000 Millionen heraus 
zuschneiden. (Heiterkeit.) 
M. H.! Diese Verhandlungen der Rumpfkommission haben 
aber auch deshalb einen so tief erregenden Eindruck im
	        
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