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tung nur dafür zu existieren scheinen, um Lasten zu übernehmen,
Steuern zu zahlen und — den Mund zu halten. (Lebhafter Beifall.)
M. H.! Ein derartiges Verfahren hielt man gegenüber den
Ständen für angemessen, welche ihrerseits allezeit zu Opfern
für das Vaterland bereit gewesen sind, und auch heute, was
allerdings von jedem Stande zu verlangen ist, im Interesse
des Zustandekommens der Finanzreform, also im Interesse
des Vaterlandes, zu jedem erträglichen Opfer bereit sind.
Ein solches Verfahren hielt man für erlaubt gegenüber
den Ständen, welche ihrerseits die Landwirtschaft als solche
nicht bekämpfen, die vielmehr, wie ich auch in dieser Stunde
des Zorns und der Erbitterung feststellen möchte, sich schon
lange zu der Ueberzeugung durchgerungen haben, dass sie im
Interesse der Gesamtwirtschaft verpflichtet sind, einem für die
letztere so überaus wichtigen Stande, der deutschenLandwirtschaft,
jede nur irgend mit dem Wohl des Ganzen verträgliche
Erleichterung und Förderung angedeihen zu lassen.
M. H.! Ein solches Verfahren hat man sich gestattet in
einer Zeit, wo sich endlich, lange vor der Blockpolitik, in
allen Lagern in überaus erfreulicher Weise die Zahl der ein
sichtigen und versöhnlichen Elemente erheblich vermehrt hatte,
die davon durchdrungen sind, dass der Staat nur gedeihen
kann, wenn das suum cuique auch die eiserne Grundlage
seiner Wirtschaftspolitik bildet. (Bravo!)
Aber, m. H, alles Bisherige ist durch die jüngsten Vorgänge
in der Finanzkommission des Reichstages noch Uberboten
worden. Nach dem Ausscheiden der liberalen Abgeordneten,
denen wir in dieser Stunde unseren Dank und unsere volle
Anerkennung auszusprechen nicht verfehlen wollen, (Bravo!)
hat man den Moment für gekommen erachtet, um der längst
lästig gewordenen Blockpolitik auch offiziell den Abschied zu
erteilen und zu dem letzten grossen Schlage gegen Handel und
Industrie auszuholen.
M. H.! Dies geschah in einer Kommission, welche ihren
Beruf zur Gesetzgebung schliesslich derart betätigte, dass man,
wozu es lediglich einer gewissen Fingerfertigkeit bedarf, die
Papierschere au die Stelle der auch die wirtschaftlichen
Folgen abwägenden sachkundigen Ueberlegung treten liess. Ohne
auch nur die nötigsten und selbstverständlichsten Aenderungen
vorzunehmen, hat man in dieser Weise die verschiedensten und
unter ganz verschiedenartigen Bedingungen entstandenen Steuer
ordnungen in- und ausländischer Staaten und Städte so lange
herausgeschnitten, bis man die nötigen 500 Millionen zusammen
geschnitten hatte. (Sehr gut!) Es wäre wahrlich eine Kleinig
keit gewesen, bei diesem Verfahren auch 1000 Millionen heraus
zuschneiden. (Heiterkeit.)
M. H.! Diese Verhandlungen der Rumpfkommission haben
aber auch deshalb einen so tief erregenden Eindruck im