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Geh. Kommerzienrat Emil Kirdorf, Generaldirektor der
Gelsenkirchner Bergwerksgesellschaft:
Meine Herren! Mit grosser Befriedigung begrüsse ich diese
gemeinsame Kundgebung der grössten wirtschaftlichen Kreise
unseres Vaterlandes zur Abwehr unwirtschaftlicher Belastung
infolge der im höchsten Masse bedenklichen Anträge der Reichs
finanzreform.
Die Abwehr ist am nötigsten für die Bergwerks- und Hütten- l
industrie (sogen. schwereJ,TieSöh3ers für die erstere. Ihre Belastung
wird ganz besonders schwer durch bedenklichst zunehmende
unmittelbare Lasten (Steuern und Kosten der Arbeiterfürsorge —
gesetzliche Pflichten) aber noch mehr durch die mittelbaren
Lasten, * die eine übertriebene und falsch verstandene soziale
Gesetzgebung und berg- und gewerbepolizeiliche Bestimmungen
ihr auferlegen. Ihr Einfluss ist zwar schwer unmittelbar
nachzuweisen, aber die steigende Richtung der Kohlengewin
nungskosten spiegelt ihren Einfluss wieder und wird eine Gefahr
nicht nur für die Kohlenindustrie sondern das ganze wirtschaft
liche Leben, dessen Grundlage doch der Kohlenbergbau ist.
40 044 994,31 M. gegen 29 174 176,54 M. (Hört! hört!)
An Zahlen, möglichst knapp, meiner Gesellschaft (der
Gelsenkirchener Bergwerks-Aktien-Gesellschaft), will ich die
bedenkliche Steigerung dieser Lasten Ihnen vor Augen zu
führen suchen, betonend, dass die G. B. A. G.*) den günstigeren
Durchschnitt des niederrheinisch-westfälischen Kohlenreviers dar
stellt, und die Zählen vieler anderen Gesellschaften und Ge
werkschaften ein noch trüberes Bild ergeben.
Die Gesamtlasten der G. B. A. G. an Staats-, Gemeinde- usw.
Steuern und der sozialen Gesetzgebung betrugen:
im 1. Jahr 1873 104 235,92 M. oder 4,63 % des Reingewinns
1880 173 106,70 .. „ 16,24 % „
1890 742 813,32 „ „ 18,38 °/ 0 „
1900 2 228 528,77 „ „ 23,64 % „
(Hört! hört!)
1907 6 004 020,39 „ „ 34,76 % „
1908 7 065 595,43 „ „ 54,18% „
(Hört! hört!)
also in 1908 gegen 1907 rund 1060 000 M. mehr bei fast
unveränderter Erzeugung und Arbeiterzahl, während bei den
Steigerungen der vorhergenannten Zeitabschnitte bezüglich der
Gesamtzahlen die Vermehrung der Arbeiterzahl zu berücksich
tigen ist. Betrachtet man die gewaltige Steigerung im letzten Jahre,
so wird hierdurch noch greller beleuchtet, wie diese Lasten der
sozialen Pflichten für den gesamten niederrheinisch-westfälischen
Bergbau gestiegen sind, wenn ich nach dem Bericht des Vor
standes der Sektion 2 der Knappschafts - Berufsgenossenschaft
für 1908 (S. 56) anführe, dass diese Lasten in 1908 betrugen:
*) = Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G.