Full text: Die Steigerung der Produktivität der deutschen Landwirtschaft im neunzehnten Jahrhundert

27 
trotzdem in der angegebenen Weise eine Bestätigung findet, so kann uns 
das zugleich als Beweis dienen, dass wir auch in den Einzelheiten in der 
Bestimmung des Ackerlandes, der Anbauflächen, der relativen Ernteerträge 
usw. im wesentlichen das Sichtige getroffen haben. Man wird uns aber 
vielleicht entgegenhalten: Wie ist das möglich, dass die deutsche Land 
wirtschaft am Ende des 19. Jahrhunderts im Verhältnis zur Bevölkerung 
die gleiche Menge Brotgetreide erzeugt haben soll wie am Anfang desselben, 
da doch Deutschland schon seit den 70er Jahren Getreide in namhaften 
Mengen einführt, während es solches vor 100 Jahren noch ausführte? 
Darauf ist zunächst zu erwidern, dass der Getreideüberschuss Deutschlands 
— wir haben immer das heutige Reichsgebiet im Auge — um das Jahr 
1800 nach allem, was wir darüber wissen, nicht so hoch war, wie er viel 
fach eingeschätzt wird. Man weist immer auf die hohen Ausfuhrziffern 
der Ostseehäfen hin, ohne zu erwägen, dass dabei viel Transitware aus 
Polen und Russland war, und dass andererseits auch nicht Unbedeutendes 
zum eigenen Verbrauch eingeführt wurde. Eine sichere Bilanz lässt sich 
für jene Zeit allerdings kaum mehr aufstellen. Im allgemeinen muss man 
sich aber gegenwärtig halten, dass das Verbot der Getreideausfuhr in den 
deutschen Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Regel, das Gegenteil 
eine je nach Ernteausfall und sonstigen Verhältnissen gestattete Ausnahme 
war. Bezeichnend ist es doch, dass sich das Verbot des Auf- und Ver- 
kaufens von Getreide noch im preussischen Landrecht findet und erst im 
Jahre 1810 aufgehoben wurde. In den spezifisch preussischen, das ist 
den nordöstlichen Provinzen war die Ausfuhr allerdings für gewöhnlich ge 
stattet. Im allgemeinen standen aber einer grösseren Ausbreitung des Ge 
treidehandels auch schon die vielen Binnen- und Ausfuhrzölle und nicht 
minder die schlechten Transportverhältnisse im Wege. 
Über den tatsächlichen Umfang der Getreideausfuhr in Preussen gibt 
uns eine aus dem Jahre 1795/96 erhaltene Handelstabelle Auskunft. 1 ) 
Danach betrug in Talern * 2 
die Einfuhr 
Ausfuhr 
-)- Ausfuhrüberschuss 
-j- Transit 
+ Transit 
— Einfuhrüberschuss 
bei Weizen und Weizemehl . 
1749401 
2830368 
+ 1080967 
» Roggen und Roggenmehl . 
794763 
865929 
+ 71166 
„ Gerste 
141994 
124011 
- 17983 
„ Hafer 
118300 
688083 
+ 569783 
„ Hülsenfr., Grütze, Graupen 
96451 
206715 
+ 110264 
2900909 
4715106 
+ 1814197 
Wenn wir den Produkten diejenigen Preise zugrunde legen dürfen, 2 ) 
welche Krug als Durchschnitte der preussischen Provinzen („dem Minimum 
näher als dem Maximum“) für die Jahre 1802 und 1803 angibt, nämlich: 
Weizen 2 1 / i , Roggen 1 5 / 12 , Gerste 1, Hafer 2 / 8 , Hülsenfrüchte l 2 / 3 Taler 
pro Scheffel, und die Fabrikate, deren Quantität höchstwahrscheinlich sehr 
9 Dieterici, Der Volkswohlstand im preussischen Staate, Berlin 1846. 
2 ) In Berlin waren die Preise im Durchschnitt von 1795 und 1796: Weizen 64, 
Roggen 45, Gerste 38, Hafer 29 Silbergroschen pro Scheffel.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.