Full text: Zur Entwicklung der Baumwollindustrie in Deutschland

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kam die durch die elsässische Konkurrenz hervor gerufene Über 
produktion in Deutschland selbst. Trotzdem also die Preise ihres 
Rohmaterials niedrige waren, wandten sich die Baumwollzwirnereien 
und Nähfadenfabriken, die die ägyptischen Mako- und Sea-Island- 
Baumwollgarne verarbeiten, von neuem mit der Bitte um Zollerhöhung 
für Zwirne und Nähfaden an die Regierung, weil die deutsche 
Zwirnerei auf den Bezug ausländischen, namentlich englischen Fein 
garns angewiesen sei und daher mit höheren Produktionskosten als 
z. B. die englische arbeiten müsse. Um diesen Unterschied auszu 
gleichen, reiche der bisherige Zoll nicht aus. Trotz der Angriffe, die 
man gegen diese Wünsche erhob 1 ), wurde die Zollerhöhung auch 1885 
gewährt. Aus dem Referat, das über jene Anträge in einer Sitzung 
der Augsburger Handelskammer erstattet wurde, verdient hervor 
gehoben zu werden, „daß es den Elsässer Spinnereien durch die Tarif 
reform von 1879 ermöglicht worden sei, sich der Produktion feiner 
Garne von neuem zu widmen und die unter dem früheren deutschen 
Zollsystem bedeutend herabgefallene Durchschnittsnummer ansehnlich 
zu erhöhen. Zurzeit liefen im Elsaß 450000 Spindeln auf feine 
Garne (über No. 60 englisch) und weitere 50—100000 Spindeln seien 
dafür organisiert“ 1 2 ). 
Die Jahre nach 1885 brachten immer reichere Baumwollernten 
und damit billige Rohstoffpreise, gleichzeitig erhöhten reiche Getreide 
ernten Wohlstand und Kaufkraft der Bevölkerung, so daß zunächst die 
Webereien prosperierten und zu Betriebsvergrößerungen schritten. 
Dann kam wieder eine wenn auch kurze Zeitspanne, wo die Spinne 
reien günstiger dastanden, während die Webereien unter Überproduktion 
zu leiden hatten. Anfangs der neunziger Jahre brachte der mit 
Schwankungen verbundene Rückgang der Baumwollpreise, die all 
seitige Überproduktion und der allgemeine wirtschaftliche Rückgang 
eine für beide Hauptzweige der Baumwollindustrie gleich schlimme 
Stockung des Geschäftsganges. Ein Mittel, der Notlage etwas zu 
begegnen, wird zum Teil in Produktionseinschränkungen gesehen, 
ein anderes ist die Ausfuhr um jeden Preis, selbst unter den Her 
stellungskosten — ganz so, wie es die Praxis der englischen Baumwoll- 
industriellen schon seit jeher gewesen war. Gegen die Preisfluktua 
tionen der Rohbaumwolle, denen die der Garne und Gewebe nur im 
beschränkten Maße, jedenfalls durchaus nicht proportional, zu folgen 
vermögen und die schon damals recht gefährlich zu werden anfangen, 
1) W. Lotz, a. a. O. S. 177. 
2) Jahresbericht der Handels- und. Gewerbek. f. Schwaben u. Neuburg 1884, S. 47-
	        
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