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muß der Einzelne unter geschickter Ausnützung der Konjunkturen
operieren.
Der Bezug der Baumwolle war bis Ende der siebziger Jahre
und sogar noch bis in die achtziger Jahre hinein hauptsächlich über
Liverpool und Havre, teilweise auch direkt aus den Produktions
gebieten, erfolgt. Die Bemühungen der Kaufleute Bremens, das schon
lange in engster Handelsbeziehung zu Nordamerika stand, waren
darauf gerichtet gewesen, den Baumwollhandel mehr und mehr von
Liverpool, Havre und den holländisch-belgischen Häfen ab- und nach
Bremen hinzuziehen. So war Ende 1872 die Gründung der „Bremer
Baumwollbörse“ zustande gekommen, deren Organisation in vielen
Punkten von der jener anderen Börsen abwich. Es war auch
gelungen, den Baumwollhandel Bremens zu heben 1 ); aber erst, nachdem
die Spinner große finanzielle Verluste erlitten hatten, die sich natur
gemäß aus verunglückten Preiskalkulationen ergeben mußten, kamen
sie den Wünschen der Bremer Händler entgegen. So bildet denn
die Bremer Baumwollbörse seit dem Jahre 1886 eine Vereinigung
der deutschen Baum Wollspinner und -Händler und entwickelt sich,
ähnlich wie Liverpool für England und früher für ganz Europa, zum
nationaldeutschen Baumwollmarkt für Deutschland und Österreich.
Daß die Spinner dadurch noch keineswegs gegen alle Zufälligkeiten
der Preiskonstellationen geschützt sind, liegt auf der Hand, aber es
ist wenigstens ein bedeutsamer Schritt zur Unabhängigkeit von England
getan.
Wie sehr das Gedeihen der deutschen Baumwollindustrie sonst
von den englischen Verhältnissen abhängig war, zeigt wiederum mit
Evidenz das Jahr 1892. Zu Beginn ist die Lage trostlos, am Ende
aber aussichtsreicher denn je. In England standen nämlich infolge
1) Im Jahre 1881 betrug die Einfuhr von Baumwolle
in Liverpool 13 966 687 Ztr.
,, Havre ca. 3000000 ,,
,, Bremen . 2096368 ,,
„ London . 850464 „
„ Hamburg 633900 „
Von der gesamten deutschen Baumwolleinfuhr kamen über England 876 693 Tonnen,
über Bremen 104818 und über Hamburg 31695 Tonnen (R. Jannasch, Die Rohstoff
märkte und ihre Bedeutung für den Welthandel, Ztschr. des Kgl. Prß. Slat. Bureaus, Jahrg. 1883,
S. 282/83). Die Steigerung der Importe Bremens ist aits folgenden Zahlen ersichtlich:
Bremens Baumwolleinfuhr betrug durchschnittlich
1847—51 66858 Ztr. 1877—81 1412 443 Ztr.
1857—61 498613 „ 1887—91 2875414 „
1867—71 680205 „ 1892—96 4208912 „
(Quelle; Deutsches Handelsarchiv, Jahrg. 1898, I, S. 266).