Full text: Gesetz betreffend Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben

10 War die Regelung der gewerblichen Kinderarbeit notwendig? 
ermüdet vor Schulzeit, Arbeit oft vorwiegend einzelne Teile des noch 
wachsenden Körpers in Anspruch nehmend, Unbilden der Witterung 
ausgesetzt, irrationelle Ernährung fördend. (Vgl. ausführlich Agahd 
a. a. O. S. 72 ff.) 
Für die überaus vorsichtige Regelung derhausindustricllen 
Kinderarbeit sind sicher nur wirtschaftliche Gründe maßgebend gewesen. 
(Vgl. Mot. S. 13.) Im amtlichen Bericht von 1900 (Ergebnisse 
der Statistik von 1898 in Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen 
Reiches III. 1900) heißt es allerdings, „daß cs auch nicht an 
günstigeren Urteilen über die industrielle Kinderbeschäftigung fehlt", 
aber es wird doch auch besonders erwähnt, wie dort, wo der Prozent 
satz der gewerblich tätigen Kinder besonders hoch war, mit der Zn- 
wachszahl die Schädigungen sich steigerten. 
B. Notwendigkeit ans sittlichen Gründen. 
Nach Feststellungen der Berliner Kreissynode, des Medizinalrats 
Dr. Pfleger, des Pastors Direktor Seiffert-Straußberg, Erziehungs- 
Direktor Plaß'Zehlendorf ist es nicht mehr zweifelhaft, daß eine früh 
zeitige Lohntätigkeit sich als wesentlicher Faktor der Füllung der 
Straf- und Zwangserziehungsanstalten, der Erziehungsheime darstellt. 
Gefängnislehrer Erfurt-Plötzensee hat auf der deutschen Lehrerver 
sammlung ins Breslau gezeigt, wie der frühere Kegeljunge oft wegen 
Betrugs in Gefängnis, der frühere Laufbursche und Kegeljnnge 
infolge Trunkenheit, frühzeitigen Gcldvcrdienens, Genußsucht zum 
Diebe und Mörder geworden ist. Lenz (Zwangserziehung in England 
1894) führt an, daß 67 Prozent der in Zwangserziehung gegebenen 
Kinder Straßenverkäufer gewesen seien. (Bergl. Agahd a. a. O. 
S. 77—82.) 
Nicht alle erwerbstätigen Kinder sind sittlich verdorben, aber 
sittlichenGefahrensinddiemeistcnausgesetzt. Ich stelle 
nur folgende Fragen: Fördert Schlachten nicht Roheit? Was sehen die 
Kinder beidemnächtlichenHausieren, demBlumen-, Karten- und sonstigen 
Verkauf in Straßen und Lokalen? Trinkt der Kegeljunge auch Bier 
und Schnaps? Woher haben die Kinder das Geld zu Zigarretten? 
Macht Gelegenheit nicht Diebe? Wo soll die Autorität bleiben, wenn 
schulpflichtige Kinder die Eltern miternähren? Ist Sparen nicht
	        
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