Full text: Die Psychologie der Reichsfinanzreform

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mäßige Amortisation ist zweifellos eins der größten wirt 
schaftlichen Stärkemomente für die englische Nation; sie 
gibt dem Engländer seine überall in der Welt hochgeachtete 
wirtschaftliche Stellung und den beispiellosen Kredit. In 
den letzten Jahren hat England seine Schuld regelmäßig um 
rund 10 Millionen Pfund jährlich vermindert. Ganz und gar 
aber müssen wir uns schämen vor den Japanern, die neuer 
dings unter ungeheuren Opfern der gesamten Nation einen 
Tilgungsfonds eingerichtet haben, dem jährlich mindestens 
110 Millionen Yen gleich 230 Millionen Mark überwiesen 
werden. In welchem Lichte erscheint demgegenüber die 
deutsche Opferwilligkeit? — Noch ein anderes, meine Herren. 
Was die Kopfbelastung durch die Genußmittelabgaben be 
trifft, so kann es nach meinem Dafürhalten keineswegs 
darauf ankommen, ob andere Länder ein paar Mark mehr 
auf legen oder nicht; was die dringende Not erfordert, das 
muß aufgebracht werden und zwar ganz ohne Rücksicht auf 
die Verhältnisse im Auslande, die übrigens häutig auch 
mit den unsrigen schwer vergleichbar erscheinen. 
Die Vorlagen bringen uns ferner einen Schritt vorwärts 
in der Vereinfachung des Verhältnisses zwisch Reich und 
Bundesstaaten, indem die gegenseitigen Leistungen möglichst 
festgelegt werden sollen. Die Bundesstaaten behalten nur 
noch Anteil an der Branntweinsteuer und den verschiedenen 
Erbschaftsabgaben. 
Um nun die Frage beantworten zu können, was wird 
von der Gesamtheit verlangt, muß ich doch zunächst etwas 
weiter ausholen und dem Staatssekretär folgend feststellen, 
welche Mittel insgesamt für die nächsten 5 Jahre nötig sein 
werden. Hier ergibt sich ein Gesamtbedarf von etwas über 
2 Milliarden M., und zwar nicht etwa auf Vermutungen, son 
dern auf reelle Tatsachen hin. Es sind darin einbegriffen 
namentlich auch die Deckung der bisher aufgelaufenen Bundes- 
staatszuschüsse mit 145 Millionen M., die ich ihnen nicht 
schenken würde; denn was für eine Veranlassung hat 
das Reich, die Finanzen der Bundesstaaten zu sanieren? 
das Reich hat wahrhaftig genug zu leisten mit der Sanie 
rung der eigenen Finanzen. Was für eine Veranlassung hat 
das Reich, auf Zahlungen der Bundesstaaten zu verzichten, 
auf die es nach Gesetz und Recht und Verfassung formellen 
und materiellen Anspruch hat? Sowie die Ausgaben für die 
Besoldungsverbesserungen mit 242 Millionen M. Die Deckung 
ist nun so geplant, daß insbesondere an neuen Steuern auf 
gebracht werden sollen; im Jahre 1909 — 147 Millionen Mark, 
im Jahre 1910 — 402 Millionen Mark, im Jahre 1911 bis
	        
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