Full text: Familienfideikommisse und ihre Wirkungen

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Handel and Industrie, der in Großbritannien zum Aufkäufen von Land 
geführt hat, in Deutschland ja erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr 
hunderts. In welchem Maße in dieser Periode die Latifundien unter 
dem Einfluß der Fideikommisse in Preußen wie in Österreich zuge 
nommen haben, hat Conrad dargetan 1 ). Desgleichen zeigt die von 
der offiziellen Statistik gegebene Übersicht über die preußischen Fidei 
kommisse nach der Zeit ihrer Entstehung, daß von den in Preußen 
Da die von der Stadtverwaltung wegen dieser Güterankäufe neuerdings ange 
strebten mündlichen Verhandlungen von der Gegenseite abgelehnt wurden, 
erläßt der hiesige Gemeinderat jetzt eine öffentliche Erklärung. Es wird darin 
zunächst die Auffassung der fürstlichen Rentkammer, daß den Gemeinderat die 
fortgesetzten Güterankäufe nichts angehen, zurückgewiesen und dargetan, daß 
bereits im Februar d. Js. eine große Anzahl Büdinger Landwirte und landwirt 
schafttreibende Handwerker und Handarbeiter um Maßnahmen gegen die Güter 
erwerbungen der fürstlichen Verwaltung ersucht habe. Sodann heißt es weiter; 
Einer Existenzgefährdung und Vernichtung gegenüber, wie sie einen 
großen Teil unserer Landwirtschaft treibenden Einwohner durch die Güter 
ankäufe der fürstlichen Verwaltung droht, darf keine Gemeindeverwaltung 
untätig bleiben. Schon heute verfügt die fürstliche Verwaltung, wenn man 
das Präsenzgut einreohnet, über ca. 42 Prozent der gesamten Feldmark Bü 
dingens, und mehr und mehr werden unsere Bürger durch die kapitalistische 
Übermacht des Fürsten aus dem Eigenbesitz verdrängt. Diese von der fürst 
lichen Verwaltung bewußt oder unbewußt geförderte und erstrebte Ver 
nichtung des selbständigen kleinen landbesitzenden Bürgerstandes bedingt die 
Entwicklung von abhängigen, der fürstlichen Verwaltung auf Gnade und 
Ungnade ergebenen Pächter. Hat die fürstliche Verwaltung erst die Macht 
in Händen, so kann und wird sie nicht nur die Güter- und Pachtpreise nach 
freiem Ermessen bestimmen, sie wird auch nach Willkür das Gelände wählen, 
das sie der Verpachtung aussetzen will. Aber auch ohne die Eingabe der 
Landwirte, Handwerker und Handarbeiter hat der Gemeinderat alle Veran 
lassung, gegen die Güterankäufe der fürstlichen Verwaltung Stellung zu 
nehmen, denn die Entwicklung und die Zukunft unseres Gemeinwesens über 
haupt ist dadurch gefährdet. Mehr und mehr vereinigt die fürstliche Ver 
waltung alles als Baugrund in Frage kommende Gelände in ihrer Hand, und 
immer enger zieht sich der Ring des fideikommissarisohen Grundbesitzes 
um Büdingen und es ist die Zeit nicht .mehr fern, wo nicht mehr Angebot 
und Nachfrage, sondern die Bestimmungen der fürstlichen Verwaltung den 
Wert und Preis des Baugeländes bemißt und Stadt und Bürger im Grunderwerb 
von dem Fideikommiß abhängig werden. 
Im weiteren wird dann darauf hingewiesen, daß die Stadt zu ihrem Vor 
gehen aber auch eine Rechtsgrundlage habe in einem Dokument des Fürsten 
Ernst Kasimir vom 7. März 1848, worin der Fürst sein Wort gegeben habe, 
daß die systematischen Güterankäufe in der Büdinger Gemarkung eingestellt 
werden sollten. Der Gemeinderat erwartet, daß der Enkel dieses Wort 
respektiere und die fürstliche Verwaltung jenes Versprechen nicht mit dem 
Hinweis abtue, das Dokument enthalte nur ein persönliches, aber keinen 
Nachfolger bindendes Versprechen. Unterzeichnet ist die Erklärung von dem 
Beigeordneten und den Mitgliedern des Gemeinderats. 
r ) Vgl. Conrad, Agrarstatistische Untersuchungen in seinem Jahr 
buch f. Nationalök. u. Statistik. N. F. XVI, S. 142 ff. — Derselbe, Die 
Fideikommisse in den östlichen Provinzen Preußens, in der Festgabe für 
Georg H a n s s e n. Tübingen 1889, 259—300. Nach der Ztschr. d. K. preuß. 
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