Einleitung.
Auch die Rechtspflege muß sich der Kriegszeit an- Durchhaltung, die in der Rechtspflege liegen, beftehen
passen. Vereinfachung und Beschleunigung müsssen er- fast unvermindert fort. Klarer als zuvor erkennen wir
strebt werden, ohne dadurch die Zuverlässigkeit der Rechts- diese Mängel und Hemmnisse einer gesunden wirtschaft-
pflege zu beeinträchtigen. Die wirtschaftliche Durch- lichen Entwicklung; stärker denn zuvor empfinden wir,
haltung des Volkes darf nicht durch einen schleppenden wie eine gesunde Entfaltung unserer wirilschaftlichen
Gang und durch ein übermäßig umständliches Verfahren Kräfte durch die Unwirtschaftlichkeit der Zivilrechtspflege
der Rechtspflege erschwert werden. Der Bundesrat hat gehemmt wird.
daher auch im Rahmen der Vollmacht, die ihm durch das Die stets zunehmenden Klagen gerade aus den Kreisen
Reichsgeseß vom 4. August 1914 zur Durchführung wirt- des gewerbetreibenden Mittelstandes haben dem Deutschen
schaftlicher Maßnahmen gegeben isst, wiederholt Be- Handwerks-u. Gewerbekammertag bestätigt, daß es auf dem
stimmungen erlassen, die der Unwirtschaftlichkeit unserer Gebiete der Rechtspflege schleuniger Umgestaltungen bedarf,
Rechtspflege abzuhelfen bestimmt sind. Vor allem ist an umvermeidbare Verluste zu verhüten, um eine wirtschaftliche
die Verordnung des Bundesrats vom 9. September 191.15 Verwendung der Kräfte herbeizuführen, um eine gesunde
zu erinnern, mit der eine Vereinfachung der Rechts- Entwicklung zu fördern. Dem Mittelstand, dem gerade
pflege zu dem ausgesprochenen Zwecke einer Entlastung die mittleren und kleineren Gewerbebetriebe zuzurechnen
der Gerichte erstrebt wird. sind, wird die Anpassung an die veränderten wirtschaft-
Daß die Gerichie einer solchen Entlastung bedurften, lichen Verhältnisse keineswegs immer leicht. Daß aber
lag für jeden Einsichtigen ohne weiteres klar zutage; auch der Mittelstand auf dem Posten bleibt, seine wichtige
aber mehr noch bedarf das Volk, bedürfen die Gewerbe- Rolle im deutschen Wirtschaftsleben aufrecht erhalten
treibenden, bedarf der Mittelstand allgemein einer Ent- kann und in seiner schwierigen Lage nach Möglichkeit ge-
lastung in der Rechtspflege. Schon vor dem Kriege trat stützt wird, das ist für die Gessamtdurchhaltung von großer
die Unwirtschaftlichkeit der Zivilrechtspflege mehr und Bedeutung. Daher ist die Abstellung der Unwirtschaftlich-
mehr zutage. Das Unzweckmäßige des heutigen Schulden- keit auf dem Gebiete der Rechtspflege dringend geboten.
einziehungswesens, die Langwierigkeit, Kostspieligkeit und Der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag
Umständlichkeit des Prozeßwesens auch bei den Rechts- hat bereits im Frühjahr 1915 einen Ausschuß eingesett
streitigkeiten des täglichen Lebens, das Unwesen der mit der Aufgabe, die einschlägigen Verhältnisse zu prüfen
Schwindelfirmen und die wertevernichtende Gesstallung und Vorschläge zur Abhilfe zu machen. Der Ausschuß,
des Konkursverfahrens bildeten insbesondere für die in dem neben der Geschäftsstelle des Deutschen Handwerks-
Kreise der Gewerbetreibenden den Gegenstand häufiger und Gewerbekammertages die Kammern in Hamburg,
und immer lauter werdender Klagen und führten zu Lübeck, Mannheim und Wiesbaden vertreten waren und
zahlreichen Abhilfevorschlägen. Große Werte gingen für gzu deren Beratungen das geschäftsführende Vorstands-
die Geschäftswelt durch die Unwirtschaftlichkeit der Zivil. mitglied des Verbandes der deutschen gemeinnütigen und
rechtspflege verloren, grohe Summen wurden vom unparteiischen Rechtsauskunftsstellen, Rat Dr. Link, Lübeck,
Staate einem Verfahren geopfert, das sich zwectmäßiger hHinzugezogen wurde, hat die einschlägigen Verhältnisse
und einfacher hätte gestalten lassen, ja, das in sehr vielen eingehend geprüft. Er hat aus seinen Beratungen alle
Fällen überhaupt hätte vermieden werden können. Fragen und Wünsche ausgeschieden, die minderwichtig
Mochten diese Zustände in Friedenszeiten immerhin noch und -dringlich erschienen, hat deren weitere Erörterung
erträglich sein, in der Kriegszeit sind sie es jedenfalls vielmehr einer späteren, ruhigeren Friedenszeit vor-
nicht mehr. Unser Volk steht in einem beispiellosen Kampse, behalten. Er hat auch geglaubt, bei den dringlichen Maß-
in einem Kampfe der Waffen und in einem wirtschafte. nahmen nur das Wichtigste hervorheben zu sollen und
lichen Kampfe. Auf beiden Kampfgebieten wollen und seine Vorschläge allein auf das abzustellen, was mit
müssen wir siegen. Das steht in unserem Volke außer KRiücksicht auf die Kriegslage und die Erfordernisse der
Frage und außer Zweifel. Aber äußerste Anspannung üÜberleitung zur Friedenszeit eine sofortige Neuregelung
und weiseste Verwendung aller Kräfte ist erforderlich,, verlangt. Bei den Abhilfevorschlägen hat der Ausschuß
auf militärischem wie auf wirtschaftlichem Gebietc. Die unterschieden zwischen Maßnahmen, deren Durchführung
Entfaltung der militärischen Machtmittel Deutschlands der Gesetßgebung obliegt, und zwischen Maßnahmen, zu
bietet ein Beispiel äußerster Anspannung und geschicktester deren Durchführung die Selbsthilfe berufen erscheint.
Verwendung unserer Kräfte. Unser Wirtschaftsleben Auch die Selbsthilfe hat wichtige Aufgaben zu lösen. Der
sucht sich gleichfalls in bewundernswerter Weise den An- Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag wird seinen
forderungen der Kriegszeit anzupassen. Mannigfache ganzen Einfluß dahin geltend machen, daß die Selbsthilfe
Förderung hat es in diesem Bestreben durch die Gesez- ungesäumt die in Betracht kommenden Aufgaben in
gebung erfahren. Aber die Hemmnissse wirtschaftlicher Angriff nimmt, soweit das bislang noch nicht ge-