mit Recht angenommen werden kann, scheinen diese explo
siven Äußerungen ohne Wissen des Arbeiters erfolgt zu sein.
Eine Berliner Metallarbeitersfrau bemerkt unter dem gewiß
nicht aus dem Herzen kommenden Ausspruch ihres Gemahls:
Mein Vergnügen finde mehr in der Familie „Oller
Suffkopp, behandle Du mich so, wie Du vom Arbeitgeber be
handelt zu werden wünschest.“ Eine Bergarbeitersfrau: „Zwan
zig Seiten könnte ich füllen mit meinen Leiden, Entbehrungen
und Erniedrigungen seiten meines Mann.“ Eine Förster We
bersgattin: „Das Wort „Er soll Dein Herr sein“ muß gelöscht
werden.“ Die sonstigen Frivatbriefe über das Familienleben
können hier aus gewissen Gründen nicht angeführt werden, doch
ist die Tatsache immerhin bemerkenswert, daß ziemlich viele
der Arbeiterfrauen sich über geschlechtliche Infektion seitens
ihres Mannes beklagen. (Speziell Berliner Arbeiterfrauen.)
Ganz merkwürdig war ferner (27 Briefe von Arbeiterfrauen
liegen vor): wie oft wenig tolerant die Männer gegenüber außer
ehelich geborenen Kindern sind. Da schreibt eine Metallarbeiter-^
frau: „Ich muß Ihnen sagen, daß ich eine Tochter außerehelich
geboren habe. Sie trägt, eine gesetzliche Humanität, den Namen
meines Mannes. Trotzdem kann ich nicht so recht froh sein,
weil trotz meines Bestrebens, trotz intensiver Arbeit, Liebe und
Treue während meiner fünfzehnjährigen Ehe mir immer und
immer wieder bittere Vorwürfe über die Vergangenheit gemacht
werden. Und dennoch war damals meine Armut, elende Fa
milienverhältnisse daran schuld. Es ist recht sonderbar, <daß
die Arbeiter von ihren Nebenmenschen viel mehr an guten Ei
genschaften verlangen, als sie selbst besitzen. Die Nadelstiche
seitens der Kollegen meines Mannes oder auch im Wirtshaus
bei einem Glase Bier haben mir manche bittere Stunde bereitet
etc. etc.“ '
Irgendein Moralist hat den Satz aufgestellt: „Die Kneipe
ist der Salon der Armen.“ Keine Definition trifft besser zu. Die
breite Basis des Alkoholismus, die konstatiert werden konnte,
findet ihre Erklärung aus sozialpsychischen Momenten heraus.
Das Moment der Ermüdung wird in erster Linie in Zusammen
hang mit dem Alkoholgenuß gebracht, der eben mit elementarer
Macht nach Beseitigung drängt. Ferner war zu konstatieren,
daß Abhängigkeitsverhältnis und Alkoholgenuß ebenfalls in ur-
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