Full text: Zum Kampf um die wirtschaftliche Selbständigkeit des Klein- und Mittelbetriebes

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durch ein gewisses Draufgängertum, durch die 
Fähigkeit, sich Ellenbogenfreiheit zu schaffen, 
auch in Fällen, wo solche Handlungen vom 
menschlichen Standpunkt aus gerade nicht immer 
eine günstige Beurteilung erfahren würden. Und 
so ist es unbestreitbar, dass viele Fabrikleiter, trotz 
bedeutender Fähigkeiten in gewissen beruflichen 
Richtungen, durchaus nicht die Fähigkeit besitzen, 
den hohen Ansprüchen zu genügen, die die ge 
hobene Stellung erfordert, damit sie nun auch als 
Menschen, als Charaktere, in Fällen, in denen es 
sich um rein menschliche Dinge handelt, sich ge 
wachsen zeigen. Es kann eben ein Direktor ein 
ganz hervorragender Fachmann, und doch als 
Mensch ein recht unangenehmerVorgesetzter sein, 
rücksichtslos, verständnislos gegenüber den zahl 
reichen psychologischen Problemen, die sich so 
häufig im praktischen Leben ergeben. Solche 
Naturen sind meistens auch für Zuträgereien sehr 
zugänglich, richten Spitzelsysteme ein und lassen 
sich von solchen Angestellten leiten, die ihre 
Schwächen in Bezug auf Eitelkeit und Ehrgeiz 
genau kennen. Und wo gibt es solche Leute 
nicht zahlreich genug, die sich ihre Stellung nur 
schaffen, dadurch, dass sie sich bei ihrem Direktor 
lieb Kind mit allen Mitteln zu machen suchen. 
Es ist sicher, dass dieser Frage der Charakter 
qualifikation leitender Persönlichkeiten viel zu 
wenig Beachtung geschenkt wird. 
Der Direktor einer Gesellschaft, der auch nur 
ein Angestellter ist, hat nicht nur aus Selbster 
haltungsgründen die Neigung, vorwiegend Gegen 
wartsarbeit zu leisten, ohne Rücksicht auf die Zu 
kunft und seine Nachfolger, er hat auch die Pflicht, 
sich selbst keine Konkurrenten gross zu ziehen, 
wird vielmehr oft geneigt sein, tüchtige Kräfte, 
abzuschieben, nur aus dem Grunde, weil sie Er 
satzleute für ihn zu Zeiten, in denen seine eigene 
Stellung schwierig wird, werden könnten. 
Anders liegen aber die Verhältnisse im Einzel 
betrieb, beim wirtschaftlich selbständigen Fabrik 
besitzer, der das grösste Interesse daran hat, ge 
eignete Kräfte auch für die Zukunft heranzubilden. 
Ist der Leiter eines Betriebes eine Persönlichkeit, 
ein Mensch, in dessen Gerechtigkeitssinn, Lebens 
erfahrung und Weisheit, Verständnis für das 
menschliche Wesen überhaupt, die Begründung 
eines weitgehenden Vertrauens liegt, dann ergeben 
die sozialen Probleme nur sehr selten Schwierig 
keiten, denn er wird sich in Fällen, in denen er 
glaubt, seine Auffassung durchzusetzen müssen, 
auch durchsetzen. 
Wie steht es nun mit den sogenannten Arbeits 
willigen in der Praxis. Ein Beispiel zeigt es am 
besten. In der Giesserei einer Maschinenfabrik 
kommt es zum Streik. Der Qiessereileiter, dem 
etwa 150 Arbeiter unterstehen, ist 25 Jahre alt. 
Im Interesse des Werkes wird die Einführung von 
Akkordarbeit notwendig, die Arbeiter erklären 
sich damit einverstanden, verlangen aber, dass 
erst bestimmte technische Einrichtungen und auch 
hygienische Einrichtungen geschaffen werden, ehe 
sie Akkordarbeit übernehmen wollen. Zwischen 
dem jungen Oiessereileiter und dem Vertreter der 
Arbeiter, der bereits 20 Jahre dort tätig ist, kommt 
es zu ernsten Differenzen und der Arbeiter erhält 
die Kündigung, weil er mit einem Mal zu wenig 
leistet und zu häufig sich von seinem Arbeitsplatz 
entfernt. Schon melden sich verschiedene Unter 
nehmer, die Streikbrecher anbieten, ganze 
Kolonnen. Diese Angebote veranlassen die 
Direktion zum Widerstand gegenüber den Arbei 
tern, die die Wiedereinstellung des entlassenen 
Arbeiters verlangen. Es kommt zum Streik. 
Streikposten halten sich in der Nähe der Fabrik 
auf, um ansprechende Arbeiter in Kenntnis zu 
setzen, dass in der Fabrik Streik ausgebrochen 
ist. Des Nachts erscheinen die Streikbrecher, die 
als Spezialisten wohl ausgebildet, ihren eigenen 
Koch, eigenes Geschirr und Schlafzeug mitbringen. 
Räume werden hergerichtet, die Küche eingerichtet 
und der Betrieb geht los. Die Streikbrecher, die 
typischen Gelegenheitsarbeiter, leisten gute Arbeit, 
für die sie sehr erhebliche Preise erhalten. Da 
sie aus der Fabrik nicht hinauskommen, haben 
sie weiter keine Ausgaben, verdienen also ausser 
ordentlich viel Geld. Die streikenden Arbeiter 
sind zum grössten Teil ansässig, haben selbst zum 
Teil kleine Häuschen, eine zweite Qiesserei ist 
nicht am Platze, noch in der Nähe. Das End 
ergebnis ist, dass die Arbeiter um Frieden bitten 
und auf die Einstellung des entlassenen Kollegen 
verzichten. Bei Nacht und Nebel, mit den Bündeln 
auf dem Rücken, ziehen die Streikbrecher wieder 
zur Bahn, den Beutel voll Geld und warten nun 
gemütlich bis der rührige Unternehmer, in dessen 
Dienst diese Gelegenheitsarbeiter oder Arbeits 
willigen stehen, irgendwo wieder eine Gelegen 
heit ermittelt, wo zwischen Arbeitern und Unter 
nehmer Differenzen in Aussicht sind und sich 
also wieder Gelegenheit bietet, in 8 oder 14 Tagen 
ein gutes Geschäft zu machen. Das ist ein Bei 
spiel aus der Praxis. Diese Gelegenheitsarbeiter, 
die nichts anderes tun, als Gelegenheiten abwarten, 
wo sie Kämpfenden in den Rücken fallen können, 
sollen einen stärkeren Schutz erfahren. 
Es bedarf keines Wortes, dass jeder Unter 
nehmer, wenn er mit seinen Leuten sich nicht 
verständigen kann, die Möglichkeit haben muss, 
sich andere zu suchen, die mit ihm zu seinen Be 
dingungen arbeiten wollen. Denn wenn diese 
Möglichkeit ausgeschlossen würde, dann wäre 
jeder Unternehmer vollständig in den Händen 
seiner Arbeiter und Angestellten und hätte nur 
deren Weisungen zu folgen, wenn er Arbeit ge 
leistet haben will. 
Kann er andere Arbeiter nicht erhalten, sei es, 
weil sie durch ihre Organisationen gewarnt sind, 
sei es aus sonstigen Gründen, dann wird er sich 
mit seinen Arbeitern verständigen müssen oder 
sein Werk schliessen. Zu diesem Schritt werden 
es aber die Arbeiter gewiss nur dann kommen
	        
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