Full text: Bremens Warenhandel und seine Stellung in der Weltwirtschaft

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benötigten Rohstoffe im Ursprungslande wie auch auf direkten 
Auslandsverkauf ihrer Fabrikate hinarbeiten — überall treffen wir 
auf die Absicht, den selbständigen sachkundigen Zwischenhandel 
auszuschalten, ihm anstatt des Unternehmergewinns nur den ge 
ringeren Speditionsgewinn 1 ) zu lassen: Durch die Ausgestaltung 
und Vervollkommnung des Transportwesens und des Nachrichten 
dienstes hat sich also der Handel sozusagen selbst eine Grube 
gegraben. Der Kaufmann wird immer mehr zum Kommissionär, 
der sich mit immer geringeren Prozenten begnügen muß, der 
Handel, besonders der der Seeplätze, wird immer mehr zum 
Speditionshandel ohne Eigentum an der bewegten Ware. Bei 
dieser Entwicklung hat naturgemäß derjenige Hafen die meisten 
Vorteile, der sich leistungsfähigerer, ausgedehnterer Schiffsver 
bindungen erfreut. Und das ist — Hamburg. Wenn also die 
Entwicklung nicht »korrigiert« wird, wird Hamburg ganz ohne 
sein Zutun Bremen noch weiter und schneller überflügeln. Es 
braucht die Waren nicht aufzusuchen, sondern diese kommen zu ihm. 
Es fragt sich, ob sich Bremen dieser Welle, die es zu zer 
schmettern droht, noch mit Aussicht auf Erfolg entgegenstemmen 
kann, ob sich der Strom der Geschehnisse noch in andere, günstigere 
Bahnen leiten läßt. Ich glaube, man darf diese Frage bejahen. In 
schweren Zeiten hat der Bremer noch immer seinen Mann gestanden 
und mit ruhiger Hand sein Schiff, durch die Brandung in den 
schützenden Hafen gebracht. Das wird er auch diesmal tun. Kleine 
Mittelchen allerdings helfen nichts, das Übel muß an der Wurzel 
gefaßt, der Eigenhandel Bremens muß gestärkt werden. Bevor 
man aber sagen kann: »Was soll geschehen?«, muß die Vorfrage 
beantwortet werden »Wie kam es, daß die Entwicklung, die 
Hamburg ein solches Übergewicht verlieh, überhaupt diese ver 
derbliche Richtung einschlagen konnte?« 
Der Gründe sind mehrere. Zunächst kommt natürlich die 
günstigere geographische Lage Hamburgs zur Geltung. Dann ist 
der Umstand von Einfluß, daß Bremen sich zwei räumlich weit 
und scharf getrennte Hafenkomplexe leisten muß, während Hamburg 
mit deren einem auskommt, und daß die größten Dampfer ganz 
in Bremerhaven bleiben und selbst die größeren einen Teil ihrer 
1 ) Diese Tendenz ist z. B. dem Wollmark t der Seestädte schädlich; der Wollhandel 
wandert allmählich ins Binnenland. Andererseits ist sie ihren Tabak- und Baum- 
wollmärkten nützlich. Diese werden sich wegen der Eigenart der Fabrikation, die 
schon geringe Abweichungen der Rohstoffe für den Fabrikanten untauglich macht und 
ihn deshalb zwingt, nach genauen Mustern beim deutschen Importeur zu kaufen, in den 
Seestädten halten.
	        
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