Fälle sind aber dem Einfluß der europäischen Käufer zuzuschreiben,
durch den im Laufe der Zeit, besonders nach Erklärung des
französischen Protektorats, das alte marokkanische Recht immer
mehr zurückgedrängt wird. So ist bei einem Grundstücksgeschäft
zwischen einem Europäer und einem Marokkaner folgender Modus
üblich: Die Kontrahenten begeben sich zu dem für den Europäer
zuständigen Konsul und schließen dort einen öffentlich beglaubigten
Kaufvertrag ab unter gleichzeitiger Überreichung der vorhandenen
Dokumente (Mulkia) an den Fremden. In dem Vertrage verpflichtet
sich der Marokkaner, gegen Zahlung des Kaufpreises dem Erwerber
das Grundstück wie einem Eigentümer zu überlassen und ihn gegen
Ansprüche Dritter zu sichern 1 .
Vierter Abschnitt.
Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten.
§ io. Die Konsularbehörde.
Die Frage der Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten zwischen
Nichtmarokkanern ist in den beiden Englisch-Marokkanischen Ver
trägen vom 9. Dezember 1856, dem Spanisch-Marokkanischen Ver
trag vom 20. November 1861 und der Madrider Konvention vom
3. Juli 1880 geregelt. Soweit die Madrider Konvention von den
durch Beurkundungen des neuen Kaufaktes vervollständigt und dann übergeben wird,
besteht doch eine Übereinstimmung in vielen anderen Punkten ihrer Rechtswirkung nach
außen. Beide bilden ein Mittel, dem Immobilienverkehr die notwendige Publizität zu
verschaffen. In beiden wird dem Kauflustigen, sichere Auskunft über das Recht seines
Auktors gegeben (Über das Recht der Einsichtnahme in die Mulkia s. oben § 9, 4 c).
Hierbei besteht nur der äußerliche Unterschied, daß jede carta, die seinerzeit für den
Auktor von dessen Vorgänger ausgestellt worden war, eine einzelne Urkunde darstellte,
während nach marokkanischem Rechte sämtliche Beurkundungen bis herauf zur ersten
auf einem einzigen Papierstreifen ersichtlich sind. Der langobardische Käufer ließ sich
die Carta zur dauernden Sicherung der Legitimation übereignen und als selbstverständliche
Folgerungen nicht bloß die Erwerbsurkunde des Auktors, sondern auch die in dessen
Hand befindlichen sämtlichen Erwerbsurkunden seiner Vorgänger. Dasselbe geschieht
im marokkanischen Recht von jeher mit Übereignung der Mulkia. Die Niederlegung
sämtlicher Erwerbsurkunden auf einem Papierstreifen schützt vor Verlustiggehen einzelner
Dokumente und erlaubt dem Kauflustigen vor dem Vertragsabschluß durch Einsicht
nahme in die ganze Reihe der Erwerbsurkunden sich über die Rechtslage des Grund
stückes zu vergewissern. Dieselbe Sicherheit bietet natürlich die vielleicht etwas schwieriger
zu kontrollierende vollständige Vorlage sämtlicher Cartae.
1 Steinführer S. 62, vgl. unten § II, vorletzter Absatz.