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Deutsche Nationalökonomik, die sich in der sogenannten
Kameralwissenschaft entwickelt hat, 1 ) war sowohl von
Anfang an, wie auch in der 2. Hälfte des 18. Jahrunderts
noch vorwiegend merkantilistisch. Der Merkantilismus war
um diese Zeit in Deutschland »so ziemlich am tiefsten in
die nationalökonomische Literatur eingedrungen«, wie Kautz
sagt, und die Anklänge an »einen antimerkantilistischen
Grundsatz« waren nur hie und da anzutreffen.“) Und was
die merkantilistische Literatur in Deutschland selbst betrifft,
so war sie bekanntlich nicht auf der Höhe der west
europäischen und blieb auch von keinem Einfluß auf die
letztere. 3 ) Das physiokratische System wiederum, dessen
kräftige Wurzeln wir in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
in Frankreich einschlagen sehen, fand um dieselbe Zeit in
Deutschland kaum beachtenswerte literarische Vertreter, —
so daß J. Mauvillon selber, der an der Spitze der ganzen
physiokratisch-literarischen Bewegung in Deutschland stand,
in seinen »Physiokratischen Briefen« gestehen muß, daß
er von den Originalwerken der Physiokraten nur wenige
gelesen habe, und er bittet, wenn ihm Abweichungen vom
System zugestoßen sein sollen, dieselben in Gottes Namen
»Mauvillonisch« zu nennen. 4 ) Auch dieselbe »mauvillo-
nisch« - physiokratische Bewegung war bald zu Ende und
mußte den Platz der Lehre A. Smith’s überlassen. Die
letztere bürgerte sich allerdings in Deutschland nicht so
schnell ein. Bezeichnend ist die Bemerkung der »Göt
tinger gelehrten Anzeigen« bei Gelegenheit einer Rezen
sion des Smith’schen Werkes (»Wealth of nations«) vom
29. Nov. 1794. Da heißt es über das Smith’sche Buch:
»Wenn man sein Buch hier und da zitiert findet, so scheint
es doch, die leichten Kapitel abgerechnet, als habe man ihn
nie gelesen. Auf Veränderung der Doktrin in Deutschland
hat er noch keinen Einfluß gehabt. Man betet lieber anderen
nach, weil man sie mit mehr Gemächlichkeit verstehen
>) Onck. 226/7.— 2 ) Kautz, 335.— 3 ) Onck. 236.— 4 ) Onck. 413.—