Full text: Graf Georg Kankrin in nationalökonomischer und finanzwirtschaftlicher Beziehung

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Deutsche Nationalökonomik, die sich in der sogenannten 
Kameralwissenschaft entwickelt hat, 1 ) war sowohl von 
Anfang an, wie auch in der 2. Hälfte des 18. Jahrunderts 
noch vorwiegend merkantilistisch. Der Merkantilismus war 
um diese Zeit in Deutschland »so ziemlich am tiefsten in 
die nationalökonomische Literatur eingedrungen«, wie Kautz 
sagt, und die Anklänge an »einen antimerkantilistischen 
Grundsatz« waren nur hie und da anzutreffen.“) Und was 
die merkantilistische Literatur in Deutschland selbst betrifft, 
so war sie bekanntlich nicht auf der Höhe der west 
europäischen und blieb auch von keinem Einfluß auf die 
letztere. 3 ) Das physiokratische System wiederum, dessen 
kräftige Wurzeln wir in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts 
in Frankreich einschlagen sehen, fand um dieselbe Zeit in 
Deutschland kaum beachtenswerte literarische Vertreter, — 
so daß J. Mauvillon selber, der an der Spitze der ganzen 
physiokratisch-literarischen Bewegung in Deutschland stand, 
in seinen »Physiokratischen Briefen« gestehen muß, daß 
er von den Originalwerken der Physiokraten nur wenige 
gelesen habe, und er bittet, wenn ihm Abweichungen vom 
System zugestoßen sein sollen, dieselben in Gottes Namen 
»Mauvillonisch« zu nennen. 4 ) Auch dieselbe »mauvillo- 
nisch« - physiokratische Bewegung war bald zu Ende und 
mußte den Platz der Lehre A. Smith’s überlassen. Die 
letztere bürgerte sich allerdings in Deutschland nicht so 
schnell ein. Bezeichnend ist die Bemerkung der »Göt 
tinger gelehrten Anzeigen« bei Gelegenheit einer Rezen 
sion des Smith’schen Werkes (»Wealth of nations«) vom 
29. Nov. 1794. Da heißt es über das Smith’sche Buch: 
»Wenn man sein Buch hier und da zitiert findet, so scheint 
es doch, die leichten Kapitel abgerechnet, als habe man ihn 
nie gelesen. Auf Veränderung der Doktrin in Deutschland 
hat er noch keinen Einfluß gehabt. Man betet lieber anderen 
nach, weil man sie mit mehr Gemächlichkeit verstehen 
>) Onck. 226/7.— 2 ) Kautz, 335.— 3 ) Onck. 236.— 4 ) Onck. 413.—
	        
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