Full text: Der Wohlstand für alle

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heute unsere Konfektionswerkstätten arbeiten, falls sie mit ver 
vollkommnten Maschinen ausgerüstet und für die Produktion in 
grossem Massstabe organisiert sind. 
„Aber jeder Mann wird dann einen Zobelpelz und jede Frau eine 
Sammetrobe haben wollen“, höre ich schon unsere Gegner ausrufen. 
Offen gestanden, wir glauben dies nicht. Jedermann liebt nicht 
Sammet und träumt auch nicht von einem Zobelpelz. Wenn man 
heutigen Tages den Pariserinnen den Vorschlag machte, eine jede 
sollte sich ihre Robe wählen, so würde es unter ihnen eine ziem 
liche Anzahl geben, die ein einfaches Kleid allem phantastischen 
Schmuck unserer Weltdamen vorziehen würde. 
Der Geschmack wechselt ausserdem mit den Zeiten, und der 
Geschmack, der im Momente einer Revolution die Oberhand ge 
winnt, wird sicherlich ein einfacher sein. Die Gesellschaft hat 
wie das Individuum ihre Stunden der Verweichlichung, aber sie 
hat auch ihre heroischen Stunden. So elend sie auch sein mag, 
wenn sie sich wie heute nur der Verfolgung kleinlicher und töricht 
persönlicher Interessen hingibt, so sicher ist es auch, dass sie 
in grossen Epochen einen anderen Anblick gewährt. Sie hat ihre 
Momente von Edelmut und Begeisterung. Und dann nehmen edle 
Männer das Wirkungsfeld ein, welches heute von Schwätzern 
eingenommen wird. Der Opfermut bricht sich Bahn und die grossen 
Beispiele der Geschichte finden Nachahmung. Es gibt nicht viele 
Menschen, die so weit Egoisten sind, dass sie es nicht als be 
schämend empfänden, hinter anderen zurückzustehen und die sich 
nicht wohl oder übel beeilen sollten, in den Chorus der Gross 
herzigen und Wackeren einzustimmen. 
Die grosse Revolution vom Jahre 1793 bietet dafür eine Menge 
von Beispielen. Und gerade während der Krisen einer morali 
schen Wiedergeburt — bei den Gesellschaften ebenso natürlich 
wie bei den Individuen — sieht man jene erhabene Begeisterung, 
welche die Menschheit einen Schritt vorwärts machen lässt. 
Wir wollen nicht die voraussichtliche Rolle dieser edlen 
Leidenschaften überschätzen; nicht auf ihnen baut sich unser 
Gesellschaftsideal auf. Aber wir übertreiben keineswegs, wenn 
wir annehmen, dass sie uns behilflich sein werden, die ersten 
schwierigsten Momente zu überwinden. Wir können nicht auf 
das beständige Walten dieses Opfermutes während des alltägli 
chen Lebens rechnen, aber wir können auf ihn für den Anfang 
zählen — und das ist alles, was wir brauchen. Gerade in den Mo 
menten, wo es gilt, das Terrain zu säubern, den Unrat, der sich 
während der jahrhundertelangen Unterdrückung und Sklaverei 
aufgehäuft hat, zu beseitigen, bedarf die anarchistische Gesell-
	        
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