Die Feldpost. Taubenpost.
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gelassen. Den Weg von Paris nach Köln am Rhein haben die Brieftauben schon in
etwa 130 Minuten zurückgelegt. Gewöhnlich braucht die Taubenpost für 25 Meilen nicht
über eine Stunde.
Eine gewinnbringende Benutzung der Taubenposten führte im Jahre 1849 Reuter,
der bekannte Besitzer des großen Telegraphenbureaus zu London, in Aachen ein, als der
elektrische Draht zwischen Berlin und Aachen bereits vollendet, aber zwischen Aachen und
Brüssel noch eine Unterbrechung der Leitung vorhanden war. Zwischen diesen beiden
Städten wurde zur Beförderung von Depeschen die Taubenpost eingerichtet, wodurch die
Weiterleitung der an dem einen oder anderen der beiden Plätze ankommenden Depeschen
um etwa acht Stunden beschleunigt wurde. Die für den Osten
bestimmten Depeschen, die in Brüssel mit der Post ankamen,
wurden von dort aus in drei Abschriften vermittelst dreier
verschiedenen Tauben nach Aachen gesandt. (Die dreifache Ver
sendung der Depeschen geschah nur, um Regelmäßigkeit und
verlässige Ankunft zu sichern, auch für den Fall, daß ja der
eine oder andere der geflügelten Boten zu Grunde ging.)
Die Tauben legten die Entfernung von Brüssel nach Aachen
in einer Stunde zurück. Von letzterem Orte wurde dann das
Telegramm dem elektrischen Draht anvertraut und, in Berlin
angekommen, an den Bestimmungsort auf das schleunigste
weiter befördert. Die für den Westen bestimmten Depeschen
wurden von Berlin nach Aachen mit dem Telegraphen be
fördert und von dort mit Taubenpost in oben angeführter
Weise nach Brüssel, um von letzterem Platze ihrem Be
stimmungsorte zugeführt zu werden. Der geschäftliche Nutzen
wurde bald erkannt, und man bediente sich des Reuterschen
Bureaus in ausgedehntester Weise. Wie die deutsche Ver
kehrszeitung mitteilt, ist in England ein Gutsbesitzer, der von
der nächsten Telegraphenstation 8 bin entfernt wohnt, auf den
Gedanken gekommen, die für ihn eingehenden Telegramme
sich durch Brieftauben bestellen zu lassen. Er stationiert zu
dem Zwecke mehrere von ihm gezüchtete Tauben in der Nähe
der Telegraphenanstalt bei einem Kanfmanne, an welchen
jedes für ihn bestimmte Telegramm abgegeben wird. Der
Kaufmann rollt das Telegramm zusammen und befestigt es
am Halse einer Taube so, daß die Rolle quer über den obe
ren Teil der Brust zu liegen kommt. Die Taube wird nun
losgelassen und überbringt das Telegramm dem Adressaten
innerhalb 10 Minuten. Die Tauben sollen in dieser Weise
bis zu 28 g Gewicht tragen können, ohne im Fluge be
hindert zu sein.
Eine hervorragende Rolle haben die Taubenposten in dem jüngsten Deutsch-fran
zösischen Kriege gespielt. Namentlich haben die Bewohner von Paris während der fünf
monatigen Einschließung ihrer Stadt durch die deutschen Heere den Wert der luftigen
Boten kennen gelernt. Während man sich zur Vermittelung des Briefverkehrs von der
bedrängten Stadt nach außerhalb der Ballonposten, von denen wir weiter unten noch
reden werden, bediente, blieb für den Verkehr von außerhalb nach Paris nur übrig, zur
Einrichtung von Taubenposten seine Zuflucht zu nehmen. Denn so viele Versuche man
auch damit angestellt hat, Luftballons trotz widriger Winde nach einem bestimmten Punkte
hin zu leiten, so ist die Lösung dieses Problems doch bis jetzt noch nicht gelungen. Um
die belagerte Hauptstadt mit Nachrichten von außerhalb zu versehen, wurde anfänglich
zu Tours und später, als die Deutschen bis in diese Stadt vorgedrungen waren, zu Poitiers
ein förmlicher Taubenpostdienst eingerichtet. Auf diesen Stationen sammelte man alle
827. Brieftaube mit geNempriten
Schwanzfedern.