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Die Welttelegraphie.
Und wenn wir heute, nach wenig mehr als hundert Jahren, dieses Ziel in Wahrheit
so gut wie erreicht haben, so ist ein so großartiger Erfolg nicht zum geringsten Teile den
mühsam gewonnenen Erfahrungen zu danken, welche man auf dem Gebiete der unter
seeischen Telegraphie, insbesondere während der zehn Jahre schwerer Arbeit an dem großen
atlantischen Telegraphenwerke, gesammelt hatte. Eine verhältnismäßig große Zahl von
Kabeln landen in England, welches als Inselstaat für seinen internationalen Verkehr in
erster Linie auf unterseeische Leitungen angewiesen ist. Den Kanal allein durchziehen
acht Kabel mit 35 Drähten zum Anschluß an das französische Telegraphennetz, vier
Kabel mit zusammen 18 Drähten kreuzen die Nordsee für den Austausch mit Belgien
und den Niederlanden, fünf Kabel dienen dem telegraphischen Verkehr mit Deutschland,
zwölf vermitteln den Verkehr mit Irland und den Anschluß an die atlantischen Leitungen.
Ostwärts hat Großbritannien seine telegraphischen Fäden ausgedehnt bis Norwegen,
Schweden, Dänemark bezw. bis nach Rußland mittels einer vierfachen Linie, deren eine
durch Dänemark und über die Insel Bornholm, dann durch das Baltische Meer nach
Libau sich erstreckt, während ein anderer Strang über Norwegen und Schweden sich zieht
und in Nystadt mittels eines dreifachen Kabels das russische Telegraphennetz erreicht. In
südlicher Richtung hat sich England durch eine doppelte direkte unterseeische Leitung bis
Bilbao mit der iberischen Halbinsel und durch eine Fortsetzung derselben von Barcelona
bis Marseille mit dem südlichen Frankreich in unmittelbare Verbindung gesetzt; zwei
weitere Kabel, welche von Falmouth ausgehen, ziehen sich um die Westspitzen Frankreichs
und Spaniens, Vigo, Caminha und Lissabon berührend, und erhalten eine Fortsetzung
durch zwei Kabel, welche nach Osten wendend durch das Mittelmeer direkt bis Malta
sich erstrecken, der Hauptstation für die Weiterbeförderung der Depeschen aus Europa
und Afrika nach dem Orient. Ferner ist England bezw. Irland der vornehmste Aus
gangspunkt für die Verbindungslinien zwischen der Alten und der Neuen Welt. Nicht
weniger als acht transatlantische Kabel nehmen ihren Ausgang an englischen bezw.
irländischen Küstenpunkten, während drei Kabel von Frankreich nach Nordamerika und
zwei Kabel von Portugal nach Südamerika verlaufen.
Im Weltverkehr nehmen die unterseeischen Telegraphenlinien, abgesehen von ihrer
Wichtigkeit für den großen internationalen Verkehr, auch hinsichtlich ihrer Ausdehnung
eine bedeutende Stellung ein. Während indes die Staatstelegraphenverwaltungen mit
der Legung von Unterwasser- bezw. Unterseekabel in der Regel nur insoweit vorgegangen
sind, als es zur Verbindung und Vervollständigung der Landtelegraphenlinien erforderlich
war, befinden sich die großen unterseeischen Kabellinien fast ausschließlich in den Händen
von Privatgesellschaften. Die nachstehenden Tabellen geben einen Überblick über den
Stand der vorhandenen, dem engeren und weiteren Verkehr dienenden unterseeischen
Kabel zu Ende des Jahres 1897.
Inzwischen sind weitere Kabellegungen in Aussicht genommen bezw. zur Ausführung
gebracht. Beispielsweise ist ein Kabel Japan—Formosa (1300 Seemeilen), ein zweites
deutsch-schwedisches Kabel zwischen Rügen und der schwedischen Küste, ein Kabel von Brest
nach New Pork u. a. verlegt. Von besonderer Bedeutung für Deutschland ist die Voll
endung des ersten deutsch-amerikanischen Kabels von Emden über die Azoren nach New
Jork. Geplant ist eine direkte Kabelverbindung von England nach dem Kap der guten
Hoffnung und von dort nach Mauritius, Albany und Adelaide (Australien) u. a.
Die unterseeische Telegraphie. Einer der ältesten Versuche, den elektrischen
Strom unter Wasser fortzuleiten, an der Mündung des Gangesstromes zu Kalkutta an
gestellt, stammt aus dem Jahre 1839, die erste Idee einer praktischen Benutzung aus
dem nächstfolgenden Jahre. Und doch verging ein volles Jahrzehnt, ehe eine glückliche
Vereinigung günstiger Vorfälle es gestattete, das erste lebenskräftige Unternehmen jener
Art zu schaffen und mit dauerndem Erfolg in Ausführung zu bringen.
Der glückliche Erfolg der 1851 ausgeführten Kabellegung zwischen Saugatte bei
Calais und South-Foreland bei Dover veranlaßte bald die Ausführung weiterer unter
seeischer Verbindungen, und in wenigen Jahren befanden sich in Europa über ein Dutzend
Kabel in Thätigkeit. Anderseits scheiterten freilich an örtlichen Schwierigkeiten, nament-