Full text: Grundlinien unserer Handelspolitik

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anderen Staaten, gerade für die Sorte von Waren, die er s e l b st 
erzeugt, Erleichterungen zu erhalten. Wenn nun Österreich-Ungarn durch 
die „Meistbegünstigung" theoretisch instand gesetzt wird, dieselbe Ware 
zu den gleichen Vorteilen nach dem betreffenden Staate auszuführen — 
praktisch tritt dieses Recht nur dann in Wirksamkeit, wenn Österreich- 
Ungarn wirklich jene spezielle Sorte herstellt. Da unsere Industrie im 
allgemeinen noch lange nicht den Grad der Spezialfabrikation, in der 
für jede Sorte von Waren auch schon eigene Fabriken bestehen, erreicht 
hat, ist es klar, daß in sehr zahlreichen Fällen die „Meistbegünstigung" 
für uns auf dem Papier stehen bleibt; andererseits können jene Staaten, 
die uns überlegen sind, durch das Prinzip der Meistbegünstigung von 
handelspolitischen Begünstigungen auch dann Gebrauch machen, wenn 
w i r dieselben uns teuer erkauft haben! — So kann man ruhig sagen, daß 
der Grundsatz der Meistbegünstigung, der seit Jahrzehnten die Handelsver 
träge ganz Europas beherrscht, im allgemeinen sich als ein für uns nicht 
sehr glücklicher erwiesen hat; er hat im Weltverkehr ein „freies Spiel der 
Kräfte" hergestellt, wovon die wirtschaftlichen Weltmächte bedeutende Vorteile, 
Staaten aber wie unsere Monarchie, fast vielleicht mehr Schaden als Nutzen 
gehabt haben. Die zukünftige Handelspolitik der mitteleuropäischen Staaten 
wird sich voraussichtlich auf dem Grundsatz der Reziprozität 
aufbauen, d. h. man wird Zollerleichterungen usw. nur dem einräumen, der 
dafür seinerseits entsprechende Begünstigungen gewährleistet. 
Nicht zu unterschätzen ist die handelspolitische Bedeutung, welche gerade 
in unserer Zeit immer mehr den auswärtigen Vertretungen, den Konsu 
laten, zukommt. Es gab eine Zeit, in der die auswärtigen Konsulate lediglich 
politische Agenturen waren. Diese Zeit liegt aber weit hinter uns. Heute haben 
die Konsulate, die unsere Monarchie im Auslande unterhält, überaus wichtige 
wirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen. Wir zählen hierher die Auskunft über 
wirtschaftliche Verhältnisse im Konsulatsbezirk, über Kreditfähigkeit und -Würdig 
keit von Firmen des Konsulatsbezirkes, welche mit Unternehmungen in Oester 
reich-Ungarn Geschäftsbeziehuugen anknüpfen wollen, besonders aber den 
Schutz unserer im Ausland tätigen Staatsbürger vor Unbill und Ungerechtig 
keit usw. Um das Konsulatswesen und überhaupt unsere auswärtige Vertretung 
wirtschaftlich noch fruchtbarer zu gestalten, bemüht man sich, die leitenden 
Beamten wirtschaftspolitisch zu schulen und werden ihnen besondere Fach 
leute an die Seite gegeben. Diese Konsulate erstatten regelmäßig ausführliche 
Berichte über die Wirtschafts- und handelspolitischen Zustände in ihrem Amts 
bezirke und die Aussichten für den österreichischen Handel dortselbst. Diese 
Berichte werden bei uns als Beilagen zu der Wochenschrift „Das Handels 
museum" veröffentlicht, so daß jedermann sich in ihren Besitz setzen kann. 
Das ganze System, das hier kurz angedeutet wurde, ist im Grunde so ausge 
zeichnet, daß man es im Auslande, iusbesonders im Deutschen Reiche, als 
M u st e r benutzt hat. Allerdings ist niau uns in der Ausgestaltung des Ganzen 
vielfach vorangekommen. 
In manchen Fällen sucht niau den Außenhandel zu fördern, indem man 
bestimmten Unternehmungen staatliche Subventionen zukommen
	        
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