Full text: Grundlinien unserer Handelspolitik

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schaft wurde im eigenen Lande bedroht. Das Deutsche Reich und 
Frankreich setzten sich denn auch 1879, bzw. 1881 durch die Einführung 
von landwirtschaftlichen Schutzzöllen kraftvoll zur Wehre. 
Ihrem Beispiele folgte 1882 Oesterreich-Ungarn. 
Der „Krach" von 1873 hatte nicht nur in Industrie und Gewerbe, Handel 
und Verkehr fürchterliche Schäden angerichtet, in seinem Gefolge wurde man 
auch auf die unhaltbare Lage der österreichischen Land 
wirtschaft aufmerksam. 
Als man nach der 1848 er Revolution der österreichischen Landwirt 
schaft eine neue Verfassung gab, da befreite man sie zwar von vielen bisher 
auf ihr lastenden Obliegenheiten und Bindungen, versäumte aber, in dem poli 
tischen Durcheinander dieser Jahre, die neue Agrarverfassung auch innerlich, 
insbesondere durch K o m m a s s a t i o n e n, durch die Regelung der 
Servitutenfrage usw. auszubauen. In sich selbst schwach sollte nun 
der landwirtschaftliche Betrieb des österreichischen Bauern nicht bloß die 
Konkurrenz mit Ungarn, Rußland, den Balkanstaaten und Rumänien im Osten 
und der von Westen her drohenden erdrückenden Uebermacht Amerikas aus 
halten — in derselben Zeit mußte der landwirtschaftliche Betrieb allmählich 
von der alten Naturalwirtschaft zu der modernen Geldwirtschaft übergehen. 
Alle diese schwierigen Aufgaben drängten sich zusammen. Wenn schon die In 
dustrie mit ihrer Kapitalmacht und ihren zahlreichen Anpassungsfähigkeiten 
und -Möglichkeiten Schutz vor der auswärtigen Konkurrenz verlangte, so ist 
es klar, daß denselben Schutz die Landwirtschaft in noch viel höherem Maße 
zu beanspruchen das volle Recht hatte. 
Das gemeinsame Interesse am Schutzzoll führte 
Landwirtschaft und Industrie zusammen und fand im Zolltarif von 1882 
ebenso wie in der Tarif-Novelle des Jahres 1885 seinen Ausdruck. 
Zu Beginn der neunziger Jahre trat die Idee eines mittel 
europäischen Zollbundes stärker in Erscheinung, welcher die 
Staaten des Dreibundes und ihre wirtschaftlichen Trabanten-Staaten vor 
der Uebermacht der immer gewaltiger erstarkenden Weltreiche Englands, Ber 
einigten Staaten, Rußlands, schützen sollte. Kam es auch nicht zu einer Union, 
so doch immerhin zu einer gewissen Annäherung in den Zollsätzen. In diesem 
Zeichen standen die zu Beginn der neunziger Jahre von uns abgeschlossenen 
Handelsverträge. Man könnte schwerlich den Beweis erbringen, daß diese 
Handelsverträge unserer Monarchie übermäßige Vorteile gebracht hätten. So 
gingen denn nach Ablauf derselben die Staaten des Dreibundes wieder ihre 
eigenen Wege, wenngleich sie bemüht sind, die politische Freundschaft, so gut 
es geht, auch im Wirtschaftsleben zur Geltung zu bringen. Am.13. Februar 1906 
kam auch in Oesterreich-Ungarn ein neuer Zolltarif zur Geltung, den wir im 
folgenden kurz charakterisieren. 
Die gegenwärtige Zollgesetzgebung unserer Monarchie. 
Die Zollpolitik Österreich-Ungarns findet Ausdruck in einem Zoll- 
t a r i f g e s e tz, dem ein allgemeiner (autonomer) Zolltarif ange-
	        
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