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Handels mit Deutschland hat sich also für uns erheblich verschlechtert. Dieses
Urteil ist um so mehr begründet, als unsere Ausfuhr nach Deutschland über
wiegend Rohstoffe betrifft, unsere Einfuhr von dort aber Fabrikate.
Allerdings muß hier bei der Einfuhr und Ausfuhr aus und nach Deutschland
darauf aufmerksam gemacht werden, daß ein ziemlich großer Teil dieser Güter
Deutschland lediglich in der Durchfuhr berührt. So bezieht
die österreichische Schafwollspinnerei die australische Schafwolle infolge der
hohen Bahnfrachten der österreichischen Bahnen zumeistnichtüber Triest, sondern
über Hamburg. Andererseits gehen viele unserer Waren, die nach Amerika
usw. bestimmt sind, über die deutschen Nordseehäfen in ihre Bestimmungs
länder. Der absolute Wert unseres Handels mit Deutschland betrug 1910 in
der Einfuhr 1165-9, in der Ausfuhr 1062-5 Millionen Kronen.
Weitere wichtige Ausfuhrgebiete für unseren Handel sind Italien
und Großbritannien, die beiläufig je 10 Perzent unserer Gesamt
ausfuhr aufnehmen, die Balkan Halbinsel (zirka 8 Perzent), Rußland,
Frankreich usw. Dieselben Staaten sind auch hervorragend an unserer Einfuhr
beteiligt.
Unser überseeischer Handel ist durchaus nicht unbedeutend.
Nach Amerika ging 1910 4-8 Perzent, nach Asien 3-3 Perzent (das meiste nach
Britisch-Jndien), nach Afrika 1-8 Perzent unserer Gesamtausfuhr, so daß
auf unseren direkten Ueberseehandel immerhin zirka 10 Perzent unserer Ausfuhr
entfallen. Unsere Einfuhr aus den genannten Weltteilen ist noch bedeutender.
Wir bezogen 1910 aus Asien 9-6 Perzent, aus Afrika 2-1 Perzent, aus
Amerika 12-9 Perzent und aus Australien 0-6 Perzent, zusammen also
25-2 Perzent, d. i. mehr als einViertel unserer Gesamt
einfuhr, was einem absoluten Werte von mehr als 700 Millionen Kronen
entsprach. In ihrer Gänze lassen sich unsere Uebersee-Jnteressen zisfermäßig
nicht erfassen, da eben ein guter Teil der aus Uebersee kommenden und
nach Uebersee gehenden Waren über deutsche englische usw. Häfen seinen
Weg nimmt.
Die handelspolitische Struktur der Monarchie.
Durch den Ausgleich mit U n g a r n, der bekanntlich alle 10 Jahre,
das nächstemal 1917, zu erneuern ist, bildet das gesamte Gebiet der habsburgischen
Monarchie ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet, zu dem auch Bosnien
und Herzegowina gehört. Die dualistische Form des Reiches erschwert natur
gemäß die Bildung eines einheitlichen Willens der Gesamtmonarchie in handels
politischen Fragen; denn an der Lösung einer solchen Frage müssen nicht bloß
die gemeinsamen Minister (die gewöhnlich hiezu Fachleute delegieren),
sondern auch die Regierungen und Parlamente beider Staaten zusammen
wirken. Auf Überairs holprigein und nüt Hindernissen dicht besätem Wege
muß demnach der Reichswille sich bilden. Daß diese Umstände unsere Schlag
fertigkeit nicht erhöhen und uns gegenüber Staaten nüt straffer Einheitlich
keit in Nachteil setzen, ist leicht einzusehen. Besonders heftig machte sich der
hemmende Einfluß des Dualismus geltend, solange Ungarn ein reiner Agrar-