Full text: Kapitalismus und Sozialismus

Vorwort zur zweiten Auflage. 
Dieses Büchlein wollte von Anfang an mehr sein als nur eine Ge 
legenheitsschrift. Es bemühte sich, eine prinzipielle Auseinander 
setzung mit der radikalen Form des Sozialismus zu bieten, die auch 
unabhängig von den besonderen Verhältnissen des Zeitpunktes ihrer 
Entstehung ihre Bedeutung behält. Bei der Bearbeitung der zweiten 
Auflage habe ich daher auch nur sehr wenig zu tilgen brauchen, was 
an die speziellen Zeitumstände bei der Entstehung der Schrift er 
innerte. Im übrigen ist der Lharakter des Büchleins unverändert 
geblieben. Insbesondere habe ich der Versuchung widerstanden, 
manchen Darlegungen, die an sich wohl eine ausführlichere Be 
gründung verdienten, diese jetzt nachträglich zu geben. Worauf ich 
hier verzichten mußte, wenn ich nicht den ganzen Lharakter der Schrift 
zerstören wollte, dazu hoffe ich aber bald an anderer Stelle und in 
größerem Zusammenhange Gelegenheit zu finden. 
Je mehr in der Gegenwart von „Sozialismus" gesprochen wird, 
um so unbestimmter und verschwommener ist der Sinn des Aus 
drucks geworden. Für die einen ist Sozialismus nur die zusammen 
fassende Bezeichnung für eine Summe von sozialen Reformen ge 
worden, die mit den Grundlagen der heutigen Wirtschaftsordnung 
wohl vereinbar sind und durch allmähliche Umbildung des Bestehen 
den erreicht werden sollen, für die anderen bedeutet Sozialismus auch 
heute noch eine ganz neue Wirtschaftsordnung, die nur nach völligem 
Umsturz der bestehenden errichtet werden kann. Werden doch die 
Ausdrücke „Sozialisierung" und „Sozialismus" geradezu schon als 
Gegensätze verwendet. Bei dieser Unbestimmtheit der herrschenden 
Terminologie sei ausdrücklich betont, daß es hier nur auf eine Aus 
einandersetzung mit der extremen Form des Sozialismus, dem 
eigentlichen Rommunismus, abgesehen ist, von dem aber auch der 
Marxismus oder wenigstens das, was von zahlreichen Sozialisten 
für Marxismus gehalten wird, sehr viel in sich aufgenommen hat. 
Der „Schrei nach Sozialisierung", der psychologisch bei der großen 
Masse überhaupt wohl nur als ein verzweiflungsschrei über das 
durch den Weltkrieg entstandene Elend zu werten war, ertönt ja jetzt
	        
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