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Die Entstehung des wirtschaftlichen Imperialismus.
insofern gehemmt worden, als die wirtschaftliche Gleichberechtigung
allen Mitbewerbern zugesprochen wurde. Freilich hat Deutschland später
durch sein Abkommen mit Frankreich vom 4. November 1911 den Wider
stand gegen das französische Protektorat und damit die einzige inter
nationale Sicherung der Verkehrsfreiheit in Marokko aufgegeben. Das
Wiederaufleben der Revancheideen und das wachsende Kreditbedürfnis
Rußlands führten zum finanziellen Bündnisse beider Staaten vom 12. De
zember 1888. Die von Frankreich gewährten Anleihen dienten zwar an
fänglich dem wirtschaftlichen Ausbau, traten aber schließlich in den Dienst
des russischen Panslawismus und der französischen Revancheidee; dies
durch die Bedingung, daß sie zum Ausbau der strategischen Bahnen gegen
die Mittelmächte verwendet werden sollten. Das nach dem Ausgleich
seiner wirtschaftlichen Gegensätze mit England im Jahre 1904 zur Wieder
gewinnung der politischen Vorherrschaft auf dem Kontinent gerüstete
Frankreich ist vorwiegend aus nationalen Gründen in den Weltkrieg
eingetreten; das Streben nach Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen
wurde für die äußere Politik allein maßgebend. Doch kann nicht ver
kannt werden, daß die infolge ihres Phosphorsäuregehaltes geringwertigen
Erzlager Deutsch-Lothringens durch das den Phosphor ausscheidende
„Thomasverfahren“ bei der Stahlerzeugung stark an wirtschaftlichem Wert
gewonnen hatten. Dazu kam, daß der Reichtum des Sundgaues im Elsaß
an hochprozentigem Kali ein Mittel zu sein schien, um das deutsche Kali
monopol, ein wirtschaftliches Machtmittel ersten Ranges, zu beseitigen;
so fehlte auch hier nicht die wirtschaftliche Triebfeder (Steinhausen
bei G o e t z, Deutschland und der Friede 1, 320).
Belgien.
Der belgische Imperialismus setzte mit dem Erwerbe des Kongo
staates durch das Gesetz vom 18. Oktober 1908 ein, nachdem bereits der
„merchant king“ Leopold I. mit seinem souveränen Kongostaat ein Muster
beispiel selbstsüchtiger Ausbeutung der Arbeitskraft und des Naturreichtums
Zentralafrikas geliefert hatte. Trotzdem bei der Berliner Kongokonferenz
von 1885 bereits Grundsätze einer internationalen Kolonialpolitik
durchgedrungen waren, hat doch die unbeschränkbare Handelsfreiheit aller
Vertragsstaaten den belgischen Kongostaat nicht gehindert, Monopole zu
schaffen und die Ausnutzung der Eingeborenen soweit zu treiben, daß die
Bevölkerung sehr stark zurückging. Erst seit der Übernahme der Kolonie
in die belgische Staatsverwaltung ist die allmähliche Einführung der
Handelsfreiheit unternommen (1910—1912) und insbesondere in einem
königlichen Erlaß vom 22. März 1910 den Eingeborenen gestattet worden,
pflanzliche Erzeugnisse, besonders Kautschuk und Kopalharze selbst zu
ernten und zu verkaufen (E g e 1 h a a f, Geschichte 184).