Full text: Denkschrift über die Berechtigung eines interkommunalen Lastenausgleichs in wirtschaftlich zusammenhängenden Gemeinden insbesondere in Groß-Berlin

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IV. Dec „mirtlch8stljche Zulsmmenhgng" metirecer bensch- 
bactet GemeinSen dilSet keinen Titel ;u einem besonSeren 
Ausglei-. 
Die Begrundung, die hier die Borbemerkungen zu dem Z 583, 
des Entwnrfs geben, es mache sich der Unterschied zwischen leistungS- 
fahigcr und armer Genleinde in einheitlichen Wirtschaftsgebieten besonders 
verbittcrnd und die sozialen Gegensatze verscharfend geltend, ist zur Rrcht- 
fertigung einer solchen Borschrift wie der § 53 3 war, vollig ungeeignet. 
Entweder es muh ein Ausgleich zwischen armen und wohlhabenden Gc- 
meinden erfolgen, dann muh sie auch zwischen entfernten Gemeinden 
stattfinden, oder arme und reiche Gemeinden konnen wie bet physischcn 
Personen nebeneinander bestehen, dann ist es einerlei, ob die arme 
Gemeinde der wohlhabenden nahe ist oder nicht. Der Arme in 
einer armen ostprcuhischen Gemeinde ist nicht minder hilfsbednrftig und 
der Unterstutzuirg wiirdig ,wenn er auch nicht, wie etwa ein Armer in 
einer grohen Stadt vielsach den Reichtum Nor Augen hat. Die a n s - 
fallicie Erscheinung, dah die verschiedeneu Teile eincs 
einheitlichen Wirtschaftsgebietes nicht einheitlich 
st e u e r l i ch h c r a n g e z o g e n werden, i st k o m m u n a l p o l i t i s ch 
durchaus gerechtsertigt. Es find eben verschiedene Gemeinden, 
und es ist nur folgerichtig, dah Ilnterschiede, wie sie nun einmal in 
verschiedeneu Gemeinden bestehen, auch hier vorhandcn find. Gibt es 
dock) sogar Nachbarstadte, die verschiedeneu Staaten auaehoren und doch 
wirtschastlich eng verbunden find (Hamburg/Altona, Ulm/Neu-Ulm, Mann- 
heim/Ludwigshafen). Auch hier konnen sich verschiedene Belastungcn be- 
merkbar machen, verschiedene Leistungen fur kommunale Zwecke. Auch 
hier ist einc Abwanderung aus der wenigcr begunstigten Stadt „ohne 
Veranderung der wirtschastlichen Existenzbedingungen" moglich?) 
Eine Hilfe fur leistungsfahige, wenn auch belastete Gemeinden aus 
Kosten anderer Gemeinden gibt es nicht. Ist aber eine Gemeinde 
leistungsunfahig, so gibt es nur das Mittel der Eingemeindung. 
§ 2 Abs. 3 und 5a, 'c der ostlichen Landgemeindeordnung be- 
stimmt, dah Landgemeinden mit anderen Landgemeinden oder Gutsbezirken 
auch ohne ihr Einvcrstandnis verbunden iverden konnen, wenn sie i h r e 
o f f e n t l i ch e n r e ch t l i ch c n V e r p f l i ch t u n g e n nicht m e h r z u 
e r f u l l e n i m st a n d e (also leistungsunfahig) find, und sodann, w e n n 
iufolgc ortsverbundener Lage von Landgemeinden oder 
von Gutsbezirken mit Stadt gemeinden ein erheblicher 
W i d e r st r e i t der kommunalen Jnteressen e n t st a n d e u i st. 
Statt dieses allein berechtigten Ausgleichsmittels der Eingemeindung kaun 
nicht zu den Mitteln gegriffen werden, auf irgendeinem Gebiet eine Nach- 
bargemeindc auf Kosten der anderen zu bereichern, wahrend der wirtschaft- 
liche Widerstreit nicht aufhvren kann, solange die kommunale Zersplitterung 
nicht beseitigt ist. Die Denkschriften und Petitioncn der Bororte stehen 
allerdings auf deni Standpunkt, dah der Grundsatz der preuhischen Selbst 
verwaltung auch durch jegliche Verbandbildung, sogar durch eine solchc, 
wie sie § 53a — der alleinigen Entschliehung staatlichcr Organe vor- 
behalten — einfuhrcn wollte, volt gewahrt werde. Zur Rechtfertigung 
dieser Auffassung bcruft sich die Denkschrift, indem sie auf das alte Projekt, 
die Schullasten dein Berbande Groh-Berlin zur Verteilung 
aufzuburden, zuruckkommt, auf cnglischc Verhaltnisse (Grafschaftsver- 
fassung), wo allerdings die Hanpttcndenz der Gesetzgebung dahin geht, 
dah sie „zwar anr Kirchspiel als der Grundeinheit stir alle Verwaltnngs- 
aufgaben scsthalt, in dem Augenblick aber, wo sie erkennt, dah das Kirchspiel 
zn schwach bevolkert, zu arm oder zu klein ist, der Exekutive innerhalb 
eines breiteren Gesetzesrahmens es uberlaht, ohne Skruppel einzu- 
greifcn, zusammenzulegen und zu trennen". (Hatscheck, Englisches Staats- 
recht II S. 411.) 
Es ist festgestellt, dah gerade das, was bei uns das Weseu der 
Selbstvcrwaltung ausmacht, die e i g e n c 'Berloaltung und Selbstandig- 
keit der einzelnen, auch der kleinsten kommunalen Korperschaften, die An- 
erkennung des Rechts, die eigenen Selbstverwaltungsaufgaben s e l b st zu 
erledigen, in England nicht entwickelt ist, vielleicht auch nicht entwickelt 
zu sein braucht, Weil die besondere Ausgestaltung der sogenannten „obrig- 
keitlichen Selbstverwaltung" hier Abhilfe schafft. Der gewaltige Unterschied, 
der darin liegt, dah bei uns Staatsverwaltung und Selbstverwaltniig sich 
bis zu einem gewissen Grade in scharfeni Gegensatz befinden, wahrend 
in England auch die Staatsverwaltung Selbstverwaltung ist,. wird von deU 
petitionierenden Gemeinden vollig ignoriert. Sie verteidigen eine Be- 
stimmung, wie die des 8 53a gewesen ist, der die Zusammenfassung deiu 
Oberprasidenten (mit Beschwerde an die Minister des Jnnern und der 
geistlichen Angelegenheiten), noch dazu ohne Nachprusung inr Berwaltungs- 
streitverfahren ubcrlieh, nnd untergraben da mit selbst deU 
B o d e n, auf dem sie st e h e n. 
*) Die Bestimmung des § 21 Volksschuluntcrhaltungsgesches (Zulassigkeit vo» 
Ortszulagen in an sich nicht berechtigten Gemeinden wcgen vorliegender wirtschast- 
licher Einheit) kann die Richtigkeit unserer Darlegung nicht beeintriichtigen. & 
handelt sich hier urn eine dnrch die besonderen Verhaltniffe gcbotene SonderbestiM- 
mung, Weil ohne die Ortszulagen in der Tat ein staffer Bcsoldungsunterschied eit(f 
stehen wiirde. Dah etwa die Ortszulagen aber denen in der Nachbargemeinde glei» 
stehen mustten, davon ist nicht die Rede.
	        
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