Vorwort
Lebensäußerungen eines in sich geschlossenen Organismus. Dieser Organis-
mus ist hier zunächst das mittelalterliche Lübeck mit seinen über das örtliche
Gebiet der Stadt weit hinausreichenden Ausstrahlungen; inı Hinblick auf
dieses Ganze ist alles geschrieben. Im Schlußteil des „Markts von Lübeck“
bin ich näher auf diese Fragen eingegangen (unten S. 85f.); was ich dort 1921
zu sagen hatte, hat seitdem manchen freundlichen Widerhall gefunden.
Arbeiten, die seitdem erschienen sind, und nach wie vor vereinzelte Quellen-
stellen aus der Überlieferung verschiedenster Einzelorganismen und ver-
schiedenster Zeit als gleichbeweiskräftig für irgend ein Spezialthema ver-
werten, haben mich in dieser Überzeugung nur bestärkt. Im letzten der Bei-
träge konnte dann der Versuch gewagt werden, die für Lübeck gewonnenen
Erkenntnisse für umfassendere Probleme der gesanıtdeutschen Wirtschafts-
geschichte zu nutzen. Auch hier nicht in mechanischem Gleichmachen,
sondern wiederum von einer höheren Einheit ausgehend; diesmal dem
Bürgertum altdeutscher Städte als eines Kraftzentrums, aus dem in innerlich
verwandten Vorgängen Ausstrahlungen erfolgten, die in den Gründungs-
unternehmerstädten des 12. Jahrhunderts neue Wesenheiten entstehen
ließen.
Nach Form und Wesen sind die einzelnen Beiträge ungleichartig. Die in der
Inhaltsübersicht beigefügten Jahreszahlen beziehen sich auf die Niederschrift,
nicht auf das Erscheinen. Beiträge Iund II sind ausgesprochen Forschungen
im eigensten Sinne; Beitrag V I beschränkt sich auf die Wiedergabe einer Quelle;
allerdings mit jener eingehenden Behandlung der Einleitung, ohne die diese
Quelle unverwertbares Material bleiben würde. Die übrigen Beiträge sind alle
zunächst als Vorträge gestaltet. Beitrag IV und V in breiterer Verflechtung mit
der allgemeinen hansischen Literatur, Aufgabe des einen war es, die Periodi-
sierung lübischer Wirtschaftsgeschichte, wie sie sich mir aus der Kenntnis des
überreichen ungedruckten Materials des 14. Jahrhunderts ergeben hatte, ein-
dem „Universalismus‘“ O0. Spann’s bedarf keiner näheren Erörterung. (Vgl. z. B. den
Artikel „Universalismus‘‘ Hdwtb. d. Staatswissenschaften, Bd. VIII, S. 453ff., ins-
besondere S. 462.) — Auf die reichlichen Erörterungen methodischer, wissenschafts-
theoretischer und geschichtsphilosophischer Art einzugehen, die z. Z. über das Verhältnis
der Wirtschaftsgeschichte zur Wirtschaftstheorie (z. B. Th. Mayer, Zs. f. d. ges. Staats-
wissenschaft, Bd. 82, S. 45ff.) geführt werden, ist hier nicht der Ort. Mir will es scheinen,
daß dabei gelegentlich die wirtschaftsgeschichtliche Arbeit der Geschichtswissenschaft mit
etwas mehr Eingehen auf ihre Eigenart gewürdigt werden könnte. (Z. B. bei Salin,
Hochkapitalismus, Archiv f. Weltwirtschaft, Bd. 25, 1927.) Jedenfalls wird sich die Ge-
schichtswissenschaft kaum mit dem begnügen wollen, was man mit einer gewissen Gering-
schätzung als „Historie“ charakterisiert. Das, was Salin (Hochkapitalismus S. 325ff.) als
„anschauliche Theorie‘ der „rational-logischen‘‘ Theorie gegenüberstellt, wird im wesent-
lichen nach wie vor als das eigenste Arbeitsgebiet der Geschichtswissenschaft zu gelten
haben. In diesem Sinnestellit Th. Mayera. a. 0. S. 47 dem „Historiker‘“ den „Geschichts-
Schreiber“ gegenüber, „dessen Aufgabe die Synthese, die Zusammenfassung, der Aufbau
des ganzen Systems von Beziehungen‘ ist.