Full text: Der Zucker im Kriege

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an die zuckerverarbeitende Industrie, später auch an die Bevölkerung 
abgegeben. Die Abgabe von Saccharin erfolgt nach den Weisungen 
der Reichszuckerstelle. 
Im Herbste 1916 wurde in der Presse vielfach die Frage der 
Zulassung eines weiteren Süßstoffes, des Dulcin, erörtert. 
Die Darstellung eines künstlichen Süßstoffes, 
Saccharin genannt, gelang zuerst in den siebziger Jahren des 19. Jahr 
hunderts dem Chemiker Dr. Konstantin Fahlberg an der John Hopkin's 
Universitg zu Baltimore aus einem Produkt des Steinkohlenteers, 
dem Toluol. Weiteren Kreisen wurde die neue Erfindung durch die 
internationale Ausstellung in Antwerpen im Jahre 1885 bekannt. 
Saccharin wurde teils als raffiniertes Saccharin mit einer 
fünfhundertfachen Süßkraft von Zucker, teils unter Zusatz von 
doppeltkohlensaurem Natron in Tabletten mit einer dem jeweiligen 
Zusatz entsprechend geringeren Süßkraft in den Handel gebracht. Als 
Ersatz für Zucker gewann Saccharin überall große Bedeutung, wo 
bisher Zucker als reines Süßungsmittel Anwendung gefunden hatte. 
Seine besonderen chemischen Eigenschaften, insbesondere der Umstand, 
daß der menschliche Körper das aufgenommene Saccharin ohne jede 
Veränderung wieder ausscheidet, wiesen ihm alsbald eine gewisse 
Rolle in der Krankenernährung zu. Irgendwelche Nährwerte sind 
im Saccharin nicht enthalten. 
Die Verwendung von Saccharin nahm infolge des billigen 
Preises, seiner durch sein geringes Volumen erleichterten Beschaffungs 
möglichkeit und nicht zuletzt infolge einer außerordentlich geschickten 
Reklame in den achtziger und neunziger Jahren einen erheblichen 
Umfang an. Neben feiner Verwendung als Süßungsmittel bei der 
menschlichen Ernährung diente es vor allem, teils allein, teils mit 
dem Zusatz von Zucker, als Zuckerersatz in der Industrie. Zur Ver 
besserung des Geschmacks läßt sich Saccharin verwenden bei der 
Kakao-Fabrikation, bei Lebertran, Mostrich, Kautabak, bei Zahn 
wässern, Pasten, Pulvern und Mundwässern aller Art. In der, 
Getränke-Jndustrie dient Saccharin als Süßungsmittel bei der Be 
reitung von künstlichen Mineralwässern, Limonaden, Brause 
limonaden und Essenzen, ferner bei der Herstellung aller Sorten und 
Arten von Bier und bierähnlichen Getränken, schließlich bei der Be 
reitung von Wein, Obst- und Beerenweinen und Schaumweinen. 
Die wachsende Verbreitung, die das Saccharin in verhältnis 
mäßig kurzer Zeit gefunden hatte, ließ zuerst in den Kreisen der 
Zuckerrübenbauer und der Zuckerindustrie die Befürchtung auftauchen, 
daß durch dieses neue Süßmittel der Verbrauch von Zucker eine Ein 
schränkung erfahren und damit die Landwirtschaft und die Zucker-
	        
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