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durch bedeutende allgemeine Tarifermäßigungen für Massen
transporte wie Kohle, Erz und Eisen zweifellos stark erschüttert
werden würde,
Um aber jene Tarifherabsetzungen für einen JndustriebeUrk
allein zu bewirken, müßten spezielle Gründe nachgewiesen wer
den, durch irgendwelche Staatsmaßnahmen verursachte wirt
schaftliche Benachteiligungen des betreffenden Bezirks, deren Be
seitigung möglich und voin Standpunkt einer gerechten Vertei
lung der Staatsfürsorge zu fordern ist. Für die Frage des
Berlin-Stettiner Großschiffahrtsweges z. B. treffen diese Vor
aussetzungen, wie wir zeigen werden, wohl zu. Nichtsdesto
weniger hat die Staatsbahnverwaltung seit der letzten großen
Tarifermäßigung, der Einführung des Rohstofftarifes 1897*),
der oberschlesischen Industrie mehrere Ausnahmetarife zugestan
den, so für Kohle nach Oft- und Westpreußen — zuletzt noch
1911 — und Stettin (transito). wie für die Erzzufuhr von
Stettin.
Die letzte tarifarische Erleichterung hat die oberschlesische
Eisenindustrie in dem Ausnahmetarif für Erze ab dem Sieger
land sowie den Lahn- und Dillgcbieten erhalten, durch den ein
ganz neues bisher wirtschaftlich unerreichbares Erzgebiet für die
Versorgung der oberschlesischen Hochöfen erschlossen worden ist 1 2 ).
Desgleichen sind 1911 die Tarifsätze für den oberschlesischen Fer
tigeisenversand nach den Ostseehäfen zur überseeischen Ausfuhr
nach außerdeutschen Ländern erheblich ermäßigt worden.
Es ist kaum zu erwarten, daß die Eisenbahnverwaltung so
bald weitere allgemeine oder spezielle Tarifermäßigungen zuge
stehen wird, da sie immer wieder betont, daß sie von ihrem
Standpunkt die Jndustriemassenprodukte heute schon zu den
billigsten Sätzen befördert.
So wenig demnach die Eisenbahntarifpolitik imstande ist,
die wirtschaftlichen Verhältnisse der oberschlesischen Kohlen-
Eisenindustrie zu bessern, so wichtig erscheint uns für diese Auf
gabe eine moderne ausreichende Oderschifsahrtsftraße, unter der
1) Renauld, S. 124/131. Th. M. Cords. S. 84. Berichte des
Vereins.
2) Geschäftsbericht 1911/12, C. 5 f. Dieser Siegerländer Erz
tarif, der auf 0,87 Pfg. pro 1km hinabgeht, ist 1913 auf weitere
2 Jahre verlängert worden.