Full text: Fortschritt und Armut

Kap. IV. 
Widerlegung der Maltbusschen Theorie. 
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lich, daß größere Güteranhäufungen die größere Konsumtion von 
Gütern nur in den Fällen erklären können, wo die ersteren abnehmen, 
und daß, wo deren Menge sich erhält, oder noch augenscheinlicher, wo 
sie zunimmt, eine größere Güterkonsumtion eine vermehrte Produktion 
derselben involvieren muß. Gb wir nun aber verschiedene Länder mit 
einander oder ein und dasselbe in seinen verschiedenen Perioden ver 
gleichen, es ist klar, daß der Zustand des Fortschritts, welcher durch Be 
völkerungszunahme angedeutet wird, sich auch durch eine vermehrte 
Konsumtion und eine wachsende Güteranhäusung kundgibt, und zwar 
nicht bloß im ganzen genommen, sondern auch per Kopf. Und deshalb 
bedeutet eine Bevölkerungszunahme, soweit sie je irgendwo vorge 
schritten ist, nicht eine Abnahme, sondern eine Zunahme in der durch 
schnittlichen Güterproduktion. 
Und der Grund dieser Erscheinung ist naheliegend. Denn selbst 
wenn die Zunahme der Bevölkerung die Kraft des Naturfaktors der 
Produktion dadurch schwächt, daß sie ärmeren Boden in Angriff zu 
nehmen zwingt, so vergrößert sie doch die Kraft des menschlichen Faktors 
so sehr, um dies mehr als auszugleichen. Zwanzig vereint arbeitende 
§eute werden auch da, wo die Natur geizt, mehr als zwanzigmal so 
viel Güter produzieren, als ein einziger an einem Grte produzieren 
kann, wo die Natur überaus freigebig ist. Ze dichter die Bevölkerung 
ist, desto größer wird die Teilung der Arbeit, desto bedeutender die Er 
sparungen bei der Produktion und bei der Verteilung, und somit ist 
das genaue Gegenteil der Malthusschen Lehre wahr, und innerhalb 
der Grenzen, in denen, wie wir mit allem Grund annehmen dürfen, 
die Bevölkerungszunahme noch fortschreiten wird, kann in jedem ge 
gebenen Zustande der Zivilisation eine größere Anzahl Menschen eine 
verhältnismäßig größere Summe von Gütern produzieren und ihre 
Bedürfnisse besser befriedigen, als es eine kleinere Anzahl vermag. 
Man betrachte einfach nur die Tatsachen. Kann etwas klarer 
sein, als daß die Ursache der Armut, welche in den Mittelpunkten der 
Zivilisation eitert, nicht in der Schwäche der produktiven Kräfte liegt? 
In den Ländern, wo die Armut am tiefsten ist, sind die produktiven 
Kräfte offenbar stark genug, um, vollständig verwendet, auch dem 
niedrigsten nicht bloß behagliche Existenz, sondern sogar Luxus zu ver 
schaffen. Die industrielle Lähmung, die Handelskrisis, deren Fluch heute 
auf der zivilisierten Welt lastet, entspringt offenbar keinem Mangel 
an produktiver Kraft, wo immer der Fehler liege, augenscheinlich liegt 
er nicht in dem Mangel an Fähigkeit, Güter zu produzieren. 
Gerade die Tatsache, daß der Mangel erscheint, wo die produktive 
^raft am größten und die Güterproduktion am stärksten ist, bildet das 
Rätsel, vor dem die zivilisierte Welt in ratloser Verwirrung steht, und das 
aür zu lösen versuchen. Augenscheinlich kann es die Malthussche Theorie, 
den Mangel der Abnahme der produktiven Kraft zuschreibt, nicht 
erklären. Jene Theorie ist durchaus unvereinbar mit allen Tatsachen.
	        
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