Kap. II.
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Die Fortdauer der Armut inmitten des Reichtums.
haben; aber unter ihren öffentlichen Gebäuden wird ein Armen
haus fein.
In unserer ganzen langen Untersuchung find wir zu der einfachen
Wahrheit vorgerückt, daß, da zur Verrichtung von Arbeit bei der Güter
produktion Land erforderlich ist, die Verfügung über dasselbe so viel
bedeutet, wie die Verfügung über alle Früchte der Arbeit, außer so viel
wie zur bloßen Existenz des Arbeiters notwendig ist. wir sind vorgerückt
wie durch Feindes Land, in welchem jeder Schritt gesichert, jede Stellung
befestigt, und jeder Nebenpfad erforscht werden muß; denn diese in
ihrer Anwendung auf soziale und politische Probleme so einfache Wahr
heit ist der großen Menge der Menschen verborgen, teilweise eben wegen
ihrer Einfachheit, mehr aber noch wegen der weitverbreiteten Trugschlüsse
und irrtümlichen Gewohnheiten des Denkens, welche die Menschen ver
leiten, in jeder Richtung, nur nicht in der richtigen, nach einer Erklärung
der die zivilisierte Welt bedrückenden und bedrohenden Übel auszuschauen.
Und hinter diesen feinen Trugschlüssen und mißleitenden Theorien steht
eine tätige, energische Macht, eine Macht, die in jedem Lande, seien dessen
politische Formen welche sie wollen, die Gesetze macht und das Denken
modelt, die Macht eines ungeheuren und überwältigenden pekuniären
Interesses.
Aber so einfach und so klar ist diese Wahrheit, daß sie einmal ganz
sehen, so viel heißt, wie sie stets anerkennen. Ls gibt Gemälde, welche,
obgleich man sie immer und immer wieder betrachtet, doch nur ein ver
wirrtes Labyrinth von Strichen oder Arabesken darstellen — eine Land
schaft, Bäume oder etwas dem Ähnliches — bis man darauf aufmerksam
wird, daß diese Dinge ein Gesicht oder eine Figur bilden, Hat man diesen
Zusammenhang einmal erkannt, so ist derselbe einem nachher immer
klar. Ebenso ist es in unserem Falle. Im Lichte dieser Wahrheit gruppieren
sich alle sozialen Tatsachen zu einer natürlichen Verbindung, und die
verschiedensten Erscheinungen sieht man einem großen Prinzip ent
springen. Nicht in den Beziehungen von Kapital und Arbeit, nicht in
dem Andrängen der Bevölkerung gegen ihre Unterhaltsmittel kann eine
Erklärung der ungleichen Entwicklung unserer Zivilisation gefunden
werden. Die große Ursache der Ungleichheit in der Güterverteilung ist
die Ungleichheit im Grundbesitz. Der Grundbesitz ist die große funda
mentale Tatsache, welche schließlich die soziale, die politische und folglich
auch die intellektuelle und moralische Lage des Volkes bestimmt. Und
es kann nicht anders sein. Denn das Land ist der Wohnsitz des Menschen,
das Magazin, aus welchem er alle seine Bedürfnisse beziehen muß,
das Material, auf welches seine Arbeit zur Befriedigung aller seiner
Wünsche verwendet werden muß; denn selbst die Erzeugnisse des Meeres
können nicht entnommen, das Licht der Sonne nicht genossen oder
irgendeine der Naturkräfte benutzt werden, ohne daß man den Grund
und Boden und dessen Produkte dabei gebraucht. Auf dem Lande sind
wir geboren, von demselben leben wir, zu ihm kehren wir dereinst zurück