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,Der Wertgedanke“,
unter dem Namen des Kapitals kennt und bespricht, gleichsam von einer
zweiten babylonischen Sprachverwirrung befallen, sich in ein endloses Gezänke
darüber verstrickt, was für ein Ding denn eigentlich mit dem Namen Kapital
gemeint sei! Eine solche Kontroverse an einem solchen Orte ist mehr als
eine bloße Verlegenheit, sie ist eine Kalamität. Als solche wird sie in
unserer Wissenschaft auch lebhaft empfunden. Fast Jahr für Jahr erscheinen
neue Versuche, den strittigen Begriff endlich zu fixieren. Ein durchgreifender
Erfolg ist ihnen bisher leider nicht beschieden gewesen. Im Gegenteil haben
manche von ihnen nur dazu gedient, dem Kampfplatz noch mehr Streiter
und dem Streite noch mehr Nahrung zuzuführen.“
(v. Böhm-Bawerk, Positive Theorie des Kapitals. Insbr. 1889, S. 22.)
Auch hier also dieselbe Klage — ja Anklage: Ein Gebiet von hoher
Wichtigkeit, aber völlig in sich zerfallen und zerfahren. Es könnte sich
da leicht der Gedanke eines Zusammenhanges nahelegen, zwischen der
Bedeutung eines Sondergebietes unserer Wissenschaft und seinem Zu
stande. Freilich ein Zusammenhang befremdlicher Art: je wichtiger
nämlich ein solches Gebiet, desto zerfahrener 1 Es ist auch klar, wie das
eine mit dem anderen Zusammenhängen könnte. Von den wichtigsten
Gebieten einer Wissenschaft kann man nämlich voraussetzen, daß sie
reger als die anderen gepflegt werden und somit die meisten Be
arbeiter finden. Es bedürfte dann nur der Eigenheit dieser Gebiete,
daß alle Bearbeitung derselben in der Tatsache immer nur auf eine
Mehrung der Wirrnis in ihnen hinausläuft, — und jener Zusammen
hang wäre uns in seinen Gründen ebenso klar, als er seinem Tatbe
stände nach offen vor unseren Augen liegt.
Mit der sogenannten Wertlehre ist es nun in der Tat so bestellt.
Unser Neuling würde die Vermutungen, die wir ihm begründet zudenken,
verwirklicht sehen, wenn er jetzt daranginge, die Aufklärung über diese
Dinge sich bei ihnen selber, aus erster Hand also zu erholen.
Das fragliche Gebiet gehört unstreitig zu den vielbebautesten unserer
Wissenschaft. Kaum ein namhafter Theoretiker, der sich nicht auf ihm
versucht, seinen Beitrag dazu geleistet hätte. Dieser Beitrag zur „Wert
lehre“ will in aller Regel die Neubegründung oder den Ausbau einer
sogenannten Werttheorie besagen. Zwischen „Wertlehre“ und
„Werttheorie“ besteht aber nun ein eigentümliches Verhältnis 1 ).
’) An den Namen hängt hier nichts. Es kommt nur auf den sachlichen Gegensatz
an, zwischen einem Ganzen und dem einzelnen Teile unter den vielen Teilen dieses
Ganzen. Das Ganze ist unpersönlich wie die Wissenschaft selber, jeder Teil aber der
persönliche Beitrag eines bestimmten Theoretikers zu jenem Ganzen. Man spricht zwar
auch diesen Teilen gegenüber von „Wertlehren“, so z. B. Gerl ach, oder dem Ganzen
gegenüber von der „Werttheorie“, oder „Wertdoktrin“, wie es z. B. v. Wies er tut. Ich