3. Die Lage der Bevölkerung
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getreten. So stand z. B. die VolkszaM Berlins am 1. September 1901
um 4069 Köpfe hinter der Volkszahl am 1. Dezember 1900 zurück *).
In den Zeiten einer ungünstigen Konjunktur pflegt dann auch-
der Fremdenverkehr nach den Kurorten wesentlich zurückzugehen.
Auch auf den Zugang zu den Hochschulen übt der Wandel in der
Konjunktur einen sehr starken Einfluß aus 2 ).
Mit diesen ungünstigen Einflüssen einer sinkenden Konjunktur
hängt es dann auch weiter zusammen, wenn sich in solchen Zeiten
noch zahlreiche andere Symptome zunehmender Beschäftigungs
losigkeit zeigen. Dazu gehören in erster Linie das Wachstum der
Obdachlosigkeit in den Städten und die zunehmende Zahl der
Armen in denselben. Nach den Angaben von L. Cohn trat mit
Beginn der Krise im Jahre 1901 eine starke Mehrbelastung der Asyle
für Obdachlose ein 3 ), und Landsberg 4 ) teilt mit, daß im Durchschnitt
der Städte, für welche ihm Angaben für die Jahre 1895—1901 Vor
gelegen haben, sowohl nach der Zahl der Unterstützten wie auch
nach der Höhe der Ausgaben für die offene Armenpflege in den
Zeiten der aufsteigenden Konjunktur von 1895 ab ein beständiges
Sinken, bei letzteren bis 1899, bei ersteren bis 1900, erfolgt sei,
dann aber im Jahre 1901 sich bei beiden eine Steigerung bemerkbar
machte.
Die erheblichen Einwirkungen, welche der Konjunkturwandel für
die ganze soziale und wirtschaftliche Lage eines Volkes zur Folge
hat, machen sich auch deutlich bei dem Tun und Handeln des ein
zelnen bemerkbar. Die Zahl der Verbrechen bestimmter Art,
vor allem solcher gegen das Eigentum, aber auch die Selbstmord,-
häufigkeit, pflegen im allgemeinen mit den Schwankungen der
Konjunktur Hand in Hand zu gehen 5 ). In beiden Fällen' sind es eben
die äußeren wirtschaftlichen Verhältnisse, welche das Handeln des
Menschen im besonders hohen Grade beeinflussen. So wie man
schon darauf hingewiesen hat, eine Tatsache, welche neben anderen
Ursachen auch einen starken wirtschaftlichen Hintergrund hat, daß
im Sommer mehr Verbrechen gegen die Person, im Winter mehr
Verbrechen gegen das Eigentum stattfinden, so nehmen in Zeiten
günstiger Konjunktur die Eigentumsvergehen ab, in den Zeiten un
Ders^, ebenda. S. 197. Ab- und Zuzüge.
“j Vgl. Rienhardt, Das Universitätsstudium der Württemberger seit der
Keichsgründung. Tübingen 1918. S.3.
3 ) Sehr. d. V. f. Sp. Bd. 109. S. 249 ff.
U Sehr. d. V. f. Sp. Bd. 109. S. 259 ff.
... 5 ) Für den Zusammenhang mit der Selbstmordhäufigkeit liegen bereits
altere Untersuchungen für Belgien vor. Vgl. G. v.M ay r, Statistik u. Ge
sellschaftslehre. B.3. Moralstatistik. 1917. S.404.