Metadata: Einführung in das Studium der Konjunktur

2. Die private Unternehmung im Wandel der Konjunktur. 185 
gingen dazu über, mannigfaltigere Erzeugnisse herzustellen. Sie 
nahmen neue Produktionszweige auf, um darin einen gewissen Aus 
gleich für den schlechten Absatz bei anderen Erzeugnissen zu finden. 
„In dem Gedanken, daß die Mannigfaltigkeit der Fabrikate einen 
gewissen Ausgleich bei schlechtem Geschäftsgänge des einen biete, 
liegt noch ein besonderer Anreiz zur weiteren Ausbildung dieser 
horizontalen Kombination“ 1 ). Die Firma Siemens & Halske hat da 
mals selbst mitgeteilt, daß ihr einigermaßen befriedigender Ge 
schäftsgang lediglich der Vielseitigkeit ihrer Tätigkeit zu verdanken 
sei. Die A. E. G. hat in diesen Jahren der Depression ganz neue 
Geschäftszweige aufgenommen. Im Jahre 1900 begann sie mit der 
Erzeugung von Kupfervitriol, im Jahre 1901 mit dem Bau von Dampf 
turbinen * 2 * ). Neben anderen Ursachen haben jedenfalls bei den zahl 
reichen, vor allem in neuester Zeit, aufgetretenen Zusammenfassun 
gen mehrerer Industriezweige in einen Konzern, auch ähnliche Er 
wägungen eine Rolle gespielt. Wenn nämlich in dieser Weise ver 
schiedenartige Branchen vereinigt sind, so ist in dieser Form eher 
ein Ausgleich der Konjunkturlag© und damit die Möglichkeit einer 
gleichmäßigen Rentabilität des Gesamtunternehmens möglich 8 ). Noch 
auf ein Letztes sei hingewiesen, um zu zeigen, wie ganz verschieden 
sich die einzelnen Industriezweige und Unternehmungen, je nach 
ihrer ökonomisch-technischen Eigenart, und je nach ihrer Organi 
sation, im Wandel der Konjunktur verhalten. Es handelt sich dabei 
um die nicht unwesentlichen Unterschiede, welche sich in finanz 
politischer Beziehung zwischen Aktiengesellschaft und Einzel 
unternehmung beobachten lassen. 
So hören wir in den Jahren 1900 und 1901, in den Jahren der 
ausgesprochensten Depression, von Kapitalserhöhungen in der Textil 
industrie und erfahren darüber „daß diese nicht bedingt worden 
seien durch das Bedürfnis einer Erweiterung der Unternehmungen 
infolge günstigen Geschäftsganges und ausreichender Beschäfti 
gung, wie in den vorangegangenen Perioden, sondern sie waren eine 
Notwendigkeit zur Beschaffung von Mitteln, um die infolge der 
1900er Verluste arg bedrohten Geschäfte, wieder ins Gleichgewicht 
zu bringen, nachdem man vorher durch Zusammenlegung von Aktien, 
die Verluste und die Unterbilanz zu beseitigen sich bemüht hatte. 
Vielfach ist gleichzeitig mit den Zusammenlegungen von Aktien 
auch eine Erhöhung des Kapitals vorgenommen worden“ 4 ). 
*) V o g e 1 s t e i n, Die rheinisch-westfälische Montan- und Eisenindustrie. 
Sehr. d. Ver. f. Sp. Bd. 106. S. 110. 
2 ) Sehr. d. V. f. Sp. Bd. 104, S. 134. 
8 ) Beckerath, Kräfte. A. a. O. S. 55. 
4 ) Sehr. d. V. f. Sp. Bd. 106, S. 47.
	        
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