Full text: Einführung in das Studium der Konjunktur

■HHH 
1. Die älteren Krisentheorien. 17 
Eine andere Richtung hielt sich jedoch nicht an diesen Glauben 
von der Zweckmäßigkeit einer Wirtschaftsordnung gebunden, welche 
sich vollkommen auf der wirtschaftlichen Freiheit, vor allem auf 
dem Bestehen des Privateigentums aufbaute, sie sah vielmehr gerade 
in diesen Tatsachen die Hauptursache der vorhandenen Mißstände 
in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht. Für diese neue Auffassung 
lagen die Ursachen gerade in einer fehlerhaften Organisation der 
vorhandenen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung mit ihrer in 
dividualistischen Grundlage. So entstanden den Anhängern dieser 
neuen Auffassung in den Sozialisten die schärfsten Gegner der 
herrschenden Wirtschaftsordnung. 
Aus diesen prinzipiellen Gegensätzen heraus, aus der ver 
schiedenen Beurteilung der vorhandenen Organisation der Volks 
wirtschaft, sind nun zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwei große 
Gruppen von Krisentheorien zur Erklärung dieser merkwürdigen, 
regelmäßigen Störungen des Wirtschaftslebens entstanden. Die eine 
Richtung suchte dabei die Grundlagen der herrschenden Wirtschafts 
ordnung zu verteidigen und zu retten, während die andere Richtung 
diese Grundlagen erbarmungslos angriff. 
Der erste, der eine tiefere Erklärung dieser Vorgänge zu geben 
versuchte, war der bekannte englische Nationalökonom Robert 
Malthus. Er hat zuerst eine Anschauung vertreten, welche man 
als allgemeine Überproduktionstheorie zu bezeichnen pflegt. Für 
Malthus sind die drei großen Faktoren, welche die Entwicklung der 
Produktion in günstigem Sinne beeinflussen, die Fruchtbarkeit des 
Bodens, die Ansammlung von Kapital und die arbeitsersparenden 
Erfindungen. Die Zunahme des Reichtums in einem Lande hängt 
jedoch seiner Meinung nach nicht allein von der Wirksamkeit dieser 
drei Faktoren ab, sondern ist auch in hohem Grade bestimmt 
von der Güterverteilung. Denn ein erheblicher Teil der Bevölkerung, 
vor allem ein Teil der Unternehmerschaft, verbraucht nur einen 
Teil seines Einkommens. Ein anderer Teil ihres Einkommens da 
gegen wird kapitalisiert, d. h. zur Schaffung neuer Produktions 
anlagen verwandt. Bei einer starken und schnellen Kapitalneubil 
dung und einer entsprechenden Erweiterung der Produktion, welche 
doch auf diese Weise vor sich geht, muß es jedoch dahin kommen, 
daß die Nachfrage nach Gütern hinter dem Angebot an solchen 
zurückbleibt, noch ehe die weiteren neuen Produktionsmöglichkeiten 
zum Stillstand gekommen sind. Es ist also unter dieser Voraus»- 
Setzung immer mit einer Überproduktion zu rechnen, immer muß 
das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markte 
eine Störung erfahren. In diesem gewöhnlichen Zustande der Gesell
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.