68 Zweiter Abschnitt. Der Ablauf der Konjunktur seit Gründung des Reiches.
die folgende Schilderung: „Eine allmähliche Herabsetzung der Löhne
und die Verlängerung der Arbeitszeit können notwendige Bedin
gungen dafür werden, daß die Industrie wieder wettbewerbsfähig
wird. Die Löhne in den konkurrierenden währungsschwächeren Län
dern betragen ein Viertel bis ein Fünftel der dänischen, Die
Papiererzeugung ist bis auf ein Drittel eingeschränkt, während die
Einfuhr gegen 1913 um 16 o/o gestiegen ist. Die Textilindustrie be
schäftigt nur 30 bis 50 o/ 0 ihrer Arbeiter. Es werden große Mengen
Konfektionswaren aus Deutschland eingeführt. Die Glasindustrie
ist nur mit 25 o/ 0 beschäftigt. Die Schuhindustrie, welche 1913
3500 Arbeiter beschäftigte, hat jetzt nur Arbeit für 1500 mit stark
eingeschränkter Arbeitszeit; die Einfuhr stieg um 100 o/o. Der
Markt für Holzwolle und Emballage für die Eierausfuhr, den die
dänische Industrie bisher allein versorgte, wird von deutschen
Fabriken völlig beherrscht 1 ).
Es sind vornehmlich zwei Ursachenreihen, aus denen diese
Krise in der Weltwirtschaft zu erklären ist. Auf der einen Seite
hat die Kaufkraft in allen am Kriege beteiligten Staaten unter dessen
Wirkungen und Nachwirkungen eine ganz beträchtliche Einbuße er
fahren. Das gilt nicht allein von den im Kriege unterlegenen
Staaten und von Rußland, Ländern, in denen ja schon allein der
starke Rückgang ihrer Valuta als Einfuhrhemmnis wirken und die
Aufnahmefähigkeit für fremde Erzeugnisse mindern mußte, das gilt
auch von den Siegerstaaten, bei denen ebenfalls, wenn auch in
wesentlich geringerem Ausmaße, eine Valutaverschlechterung ein
getreten ist. Dabei sei von dem Einflüsse, den die hohen Steuern
der Nachkriegszeit ganz allgemein im Sinne einer Verminderung
der Kaufkraft der Bevölkerung ausgeübt haben, ganz abgesehen,
ebenso wie von der oben bereits berührten Deflation in manchen
Ländern.
Unter dieser Verringerung der Aufnahmefähigkeit der euro
päischen Märkte hatten zuerst in stärkstem Maße die Rohstoff
staaten zu leiden, unter ihnen vor allem die Vereinigten Staaten.
Für die große Menge der hier aufgestapelten Rohstoffe, für Kupfer,
Baumwolle, Wolle usw., war kein genügender Absatz zu finden,
und der hierdurch bewirkte Rückgang in den Verschiffungen war
dann wieder die Hauptursache, welche zu der schweren Krise vor
allem auch in der amerikanischen Schiffahrt geführt hat. Den Um
fang dieser verringerten Aufnahmefähigkeit der europäischen Märkte
kann man vor allem auf dem Gebiete der montanen Produktion fest
stellen.
*) Zit. nach der Frankfurter Zeitung, Abendblatt vom 2. September 1922.