Full text: Einführung in das Studium der Konjunktur

1. Die Idee des Gleichgewichts und des Normalen im Wirtschaftsleben. 3 
ernste Bedenken entgegenstehen, so hat der letztere Begriff, das Nor 
male im Sinne des Regelmäßigen, des Häufigsten, einen viel festeren 
Boden. Denn was das Regelmäßige im Wirtschaftsleben ist, läßt sich 
aus der Welt der Tatsachen durch einfache Beobachtung entnehmen. 
Wendet man den Begriff des Normalen und Anormalen in diesem 
Sinne an, wie es im folgenden geschehen soll, so zeigt die Beob 
achtung, daß das Normale im Sinne des Regelmäßigen im Wirtschafts 
leben keineswegs ein Gleichgewichtszustand zwischen Angebot und 
Nachfrage auf dem Warenmärkte ist, daß es vielmehr die Regel ist, 
daß beide, wenn auch in der zeitlichen Entwicklung in verschiedenem 
Ausmaße, mehr oder weniger stark auseinandergehen. 
Zweifellos besteht an sich im Wirtschaftsleben eine Tendenz, 
Produktion und Konsumtion im Gleichgewicht zu halten und sie 
wieder in ein solches zu bringen, wenn es gestört worden ist. Denn 
jede Störung im Gleichgewichtszustand führt, wie wir später noch 
sehen werden, zu einer Änderung in den Preisen der betreffenden 
Güter. Entweder sinken oder steigen diese Preise, und je nachdem 
das eine oder andere der Fall ist, wird aus den privatwirtschaft 
lichen Erwägungen von Produzenten und Konsumenten heraus eine 
Steigerung oder Minderung von Angebot und Nachfrage eintreten, 
Änderungen, welchen die Tendenz innewohnt, auf einen solchen 
Gleichgewichtszustand hinzuwirken. Eine ganz andere Frage ist es 
dann freilich, ob und in welchem Umfange sich dann eine solche 
Tendenz auch wirklich durchzusetzen vermag. 
Die Erfahrung zeigt jedenfalls diese ebengenannte Tendenz und 
neben ihr, natürlich für den Mann der Praxis weit augenfälliger, die 
Tatsache, daß das Verhältnis von Produktion und Konsumtion, von 
Angebot und Nachfrage, sowohl als Ganzes wie auch in den einzelnen 
Erwerbszweigen, immer nur um diesen idealen Gleichgewichtszustand 
hin- und herschwankt, und daß diese Schwankungen nach oben 
und unten in ihrem zeitlichen Verlaufe sich von diesem idealen 
Zustande mehr oder weniger entfernen können. 
Diese Schwankungen von Produktion und Konsumtion, von An 
gebot und Nachfrage um diesen Gleichgewichtszustand bilden bei 
uns eine so regelmäßige Erscheinung, daß man die sich darin aus 
drückende Wellenbewegung des Wirtschaftslebens als das Regel 
mäßige in ihm, d. h. als dessen Normalzustand bezeichnen kann. 
Diese Wellenbewegung in ihrem gesamten Ablauf, deren Linien bald 
schroffer, bald weniger schroff sein können, diesen fortdauernden 
Wandel, dem damit unser ganzes Wirtschaftsleben unterliegt, pflogt 
man als Wandel der Konjunkturen zu bezeichnen, und je nachdem 
diese Wellenbewegung vom Standpunkt der Produktion aus einen
	        
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