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II. Abschnitt.
ist es auch hier, diejenigen von ihnen von den übrigen zu trennen,
die wesentlich durch den Raum und seine Eigenart bedingt werden.
Grundbedingung eines jeden Handels ist auf der einen Seite der
Bedarf, auf der anderen der Ueberschuß an irgendwelchen Gütern
oder das, was man als Nachfrage und Angebot bezeichnet. Auch
dem Nichtfachmanne ist ohne weiteres klar, daß diese beiden Ur
sachen der Güterbewegung von tausenderlei Dingen abhängen, die
mit dem Raume an und für sich gar nichts oder nur sehr wenig
zu tun haben. Bei der Nachfrage spielen Gewohnheit und Lebens
haltung, bei dem Angebot durchaus nicht etwa nur Ueberfluß an der
von anderer Seite begehrten Ware, sondern auch Gleichgültigkeit
gegen ihren Gebrauch und andere Ursachen eine nicht unwesentliche
Rolle.
Beispiel: Für die Mannigfaltigkeit der Ursachen des Angebots bietet das
Studium halb- oder gar nicht kultivierter Völker eine Fülle von Beispielen. Ein
besonders bezeichnendes lieferten während meines Aufenthalts in Deutsch-Südwest
afrika die Bastards von ßehoboth. Obwohl dies halbblütige Bauernvolk durchaus
keinen Ueberfluß an Hausgeflügel besaß, verkauften seine Angehörigen dennoch
Hühnereier zu mäßigen Preisen an die Europäer in Windhuk, weil sie selbst merk
würdigerweise damals den Genuß von solchen nur in Ausnahmefällen kannten. Hier
war also zeitweise ziemlich lebhafter Handel mit einem landwirtschaftlichen Produkt
im Gange, bei dem von einem wirtschaftsgeographischen Verhältnis gar keine Rede
sein konnte.
Dies Beispiel zeigt aber auch, daß die wirtschaftliche und die
wirtschaftsgeographische Spannung zwei verschiedene Dinge sind.
Das wirtschaftliche Spannungsverhältnis einer Ware, das ebensogut
wie das wirtschaftsgeographische zu einem Ausgleich durch den
Handel drängt, kann in den oben berührten, vom Raume unabhängigen
Ursachen begründet sein. Wenn beispielshalber von chinesischen
Kaufleuten noch heute wertvolle Teesorten an das Ausland abgegeben
werden, so heißt das noch keineswegs, daß in China Ueberfluß an
dem aromatischen Genußmittel vorhanden ist, so wenig wie man von
einem Ueberfluß an besonders kostbaren Weinsorten in einzelnen
Weingegenden Westdeutschlands sprechen kann, wenn man vernimmt,
daß diese nur zum kleinsten Teile im Erzeugungsgebiet zurück
gehalten werden. Hier ist eben die Nachfrage in diesem aus rein
ökonomischen Gründen geringer als außerhalb, obwohl man von
einer geographischen Spannung kaum reden kann. Oder wenn Groß
britannien mit seinem Reichtum an Schafen aus Gegenden Mittel
europas Masthammel einführt, die es lediglich der Qualität wegen
hoch bezahlt, ist sogar geradezu das Gegenteil einer solchen nach
weisbar.
Unter geographischer Spannung sollte daher der Wirt
schaftsgeograph nichts anderes verstehen als den zahlenmäßig fest
zulegenden Gegensatz zwischen der Menge einer auf den Kopf ver-
rechneten Ware in verschiedenen Ländern oder Landschaften. Unter
im übrigen gleichen Lebensverhältnissen, also bei gleicher Güte der
Ware, bei gleichem Kulturstande und gleichem Stande der Lebens
haltung bekommen wir dann wirklich einen Begriff von der wirtschafts
geographischen Bedeutung des betreffenden Gegenstandes. So kann
man z. B. recht gut Länder wie Großbritannien mit der nordamerika
nischen Union, Deutschland mit der Schweiz oder Dänemark ver
gleichen usf., um auch zu geographisch wichtigen wirtschaftlichen
Schlüssen zu gelangen.