§ 6. Geographische Grundlagen des Verkehrs usw.
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weniger von den Durchschnittszeiten abweicht. Auf die langdauernde,
aber in ihrer Dauer viel sicherer bekannte Störung des Wasserver
kehrs vermag sich nun aber der an ihm interessierte Geschäftsmann
viel leichter einzurichten, als auf Störungen, über deren vermutliche
Dauer man ihm vorher überhaupt nichts Sicheres zu sagen weiß.
Denn wollte er für eine Verfrachtung innerhalb Mitteleuropas mit der
durchschnittlichen Periode der Eisbehinderung der Schiffahrt rechnen,
so ist die Wahrscheinlichkeit, daß er durch eine etwa eintretende
längere Zeit der Störung Schaden erleidet, hier erheblich größer als
in dem zwar lange winterkalten, aber durch größere Regelmäßigkeit
ausgezeichneten nordasiatischen Klimagebiet.
Von den durch das Eis verursachten Störungen wenden wir uns
denjenigen zu, die durch die wechselnde Wassertiefe, d. h. also durch
die Schwankungen der Wasserzufuhr und der aus ihr hervorgehenden
Wasserführung der Flüsse und Kanäle entspringen. Diese Schwan
kungen sind am größten an der Polargrenze der Monsungebiete, d. h.
in jenen Gegenden, in denen tropische Regenmengen und tropische
Regenverteilung von einem Steppenklima abgelöst werden. Ströme
in diesen Ländern kommen für den Verkehr nur dann in Betracht, wenn
sie Zuflüsse aus verschiedenen, in diesem Falle also zumeist äquatorialen
Ländern empfangen oder wenn diese ihnen die Schmelzwässer hoher
Gebirge zuführen; das erste ist der Fall beim mittleren Niger und
beim mittleren und unteren Nil, das zweite gilt z. B. beim Indus.
Für die Flüsse jener Uebergangszone bietet der Oranjefluß in Süd
afrika ein vortreffliches Beispiel, denn dieser Strom ist auch da, wo,
wie in seinem Unterlauf, das Gefälle kein allzu großes Hindernis für
den Verkehr bieten würde, wegen der Unregelmäßigkeit seiner Wasser
führung nicht benutzbar. Während er im allgemeinen so seicht ist,
daß er an vielen Stellen zu Fuß passiert werden kann, steigt er in
der im Inneren herrschenden Regenzeit hier bisweilen in wenigen
Stunden um 10 und mehr Meter. Aber auch diese riesigen Wasser
massen verströmen schnell, so daß dieser echte Steppenfiuß für den
Verkehr nur ein Hindernis und keine Förderung bedeutet.
Es wäre verkehrt, anzunehmen, daß der ideale Zustand einer
gleichmäßigen Füllung einer Wasserader nur durch die Niederschläge
innerhalb ihres Zuflußgebietes bedingt ist. Freilich ist dies bei vielen
von ihnen, namentlich bei manchen Strömen der Aequatorialzone, der
Fall- Hier braucht nur an den Kongo erinnert zu werden. Dieser
mächtige Strom ist darum von so außerordentlich hohem Wert für
die afrikanische Binnenschiffahrt, weil sein Zuflußgebiet sich zu beiden
Seiten des Aequators ziemlich weit ausdehnt und ihm somit während
einer längeren Reihe von Monaten Wasser zuströmt, als dies z. B.
bei dem Nil der Fall ist. Auch die Wasserstraßen der mittleren
Striche der gemäßigten Zone unterscheiden sich in dieser Hinsicht
sehr vorteilhaft von denjenigen der subtropischen Zone. So wird man
den Satz begreiflich finden, daß, je verschiedenartiger die wasser
spendenden Erscheinungen innerhalb eines Stromgebietes sind, um so
höher auch die ihm zugehörigen Schiffahrtswege in ihrem Verkehrs
wert eingeschätzt werden dürfen,
Beispiel: Der Po verdankt seine außergewöhnliche Stellung unter den süd
europäischen Strömen keineswegs nur dem Umstande, daß sein Zuflußgebiet ver
hältnismäßig reiche Niederschläge empfängt. Vielmehr kommt ihm auch die Lage
zu den seine Ebenen umrandenden Gebirgen in hohem Grade zugute. Bein eigenes
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