Wenn wir die Beherrschung neuer Formen der Natur
kräfte und die vervollkommnete Anwendung der Maschinen
erreichen, wird es für die männliche Hälfte aller zivilisier
ten Rassen (und daher schließlich für alle) leicht möglich
sein, alle Felder geistiger Arbeit und gelernter Handar
beit für sich allein zu beanspruchen; es wäre denkbar, daß
die weibliche Hälfte des Geschlechts aufhört, irgend
welche Form aktiver Arbeit zu leisten, und sei es als
Prostituierte, als Maitresse oder Ehefrau, als passives
Werkzeug der Geschlechtsfortpflanzung oder bei noch stär
kerer Dekadenz als bloßes Instrument geschlechtlicher Be
friedigung in einen Zustand von vollkommen hilflosem
Geschlechtsparasitismus verfiele.
Der Geschlechtsparasitismus stellt sich daher zu Ende
cles neunzehnten und Beginn des zwanzigsten Jahrhun
derts in einem Gewände dar, das er nie früher getragen.
Wir, die Frauen Europas des neunzehnten und zwanzig
sten Jahrhunderts, befinden uns daher in einer Lage, deren
Ernst und Bedeutung bei unsern Vorläuferinnen in den
alten Kulturen nicht ihresgleichen hatte. Je nachdem, wie
wir die Schwierigkeiten unserer Lage bemeistern und dar
über hinwegkommen oder aber von ihnen besiegt werden,
wird die Zukunft nicht nur unserer eigenen Klasse oder
auch nur unserer eigenen Rasse, sondern darüber hin
aus aller jener sich gestalten, die den Spuren unserer
wurde. Der Mann schlug vor, daß obligatorisch für alle Frauen, minde
stens der Ober- und Mittelklassen Fürsorge getroffen werden solle, so
daß sie lebenslang ganz erhalten werden, ohne Rücksicht darauf, ob sie
vgendwelche produktive Arbeit leisten und ohne daß selbst die passive
Leistung geschlechtlicher Fortpflanzung notwendig von ihnen gefordert
würde. Es mag den Mann, der diesen Vorschlag machte, überrascht
haben, daß derselbe bei jenen Frauen, die eine Umgestaltung der Stel
lung der Frau im modernen Leben anstreben, keine Zustimmung, sondern
nur Spott fand; aber ebensoviel Grund hätte er, überrascht zu sein, wenn
etwa Leute, die sich vor irgend einer ansteckenden Krankheit fürchten,
nicht auf den Vorschlag eingingen, ihnen allen diese Krankheit in ihrer
schwersten Form einzuimpfen I
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