Full text: Die Landwirtschafts-Genossenschaften Sowjet-Rußlands

VORWORT 
Das Werk der Selbstbefreiung, das die russischen Arbeiter und Bauern ge 
leistet haben, ist gewaltig. Auf dieser Erde gab es keine solch ausgebeutete 
Klasse, wie sie, auf deren Rücken die blutige Knute des Zarismus niederschlug. 
Aber diese Klassendiktatur des Großkapitals über Stadt und Land hat be 
wirkt, daß der getrennte Kampf des Volkes in der Stadt und auf dem Lande 
zum gemeinsamen Kampf zusammengeschweißt wurde. Dieses Kampf 
bündnis gab die ungeheuerliche Stoßkraft, die zur siegreichen Oktoberrevolu 
tion 1917 geführt hat. Die gemeinsamen Sieger gingen nun auch zum ge 
meinsamen Aufbau ihres Arbeiter- und Bauernstaates, der russischen 
Sowjetrepublik. 
Es ist überraschend, was im Aufbau in kaum sieben Jahren geleistet 
worden ist, trotz der kolossalen Hemmnisse durch das beutegierige inter 
nationale Kapital mit seinen militärischen Interventionen und der Blockade, 
trotz der Zerstörungen während des Krieges und der gegenrevolutionären Er 
hebungen, trotz dem Mangel an freier Arbeitskraft (wo alle Waffenfähigen in 
der Roten Armee waren zur Verteidigung ihres wirklichen Heimatbodens) 
und dem Mangel an technischen und finanziellen Mitteln. Wie ist es möglich, 
daß trotzalledem der Aufbau der Sowjetwirtschaft gelingt? 
Nicht zuletzt sind es die Genossenschaften in Stadt und Land, 
die hierbei ihre großen Verdienste haben. 
In den Ländern, in denen das Kapital regiert, sind die Genossenschaften 
Kampfinstrumente der proletarischen Selbsthilfe, die 
innerhalb des Rahmens des kapitalistischen Systems nur kleine materielle 
Besserungen erzielen können. In dem ersten Staat, in dem nicht mehr das 
Kapital, sondern die Arbeit, d. h. die Werktätigen in Stadt und Land 
selbst regieren, sind die Genossenschaften Aufbauorgane in der Hand 
der herrschenden proletarischen Klasse. 
Immer wieder hören wir den Vorwurf: Der Kleinbauer will doch 
gar keinen Sozialismus! Glatter Schwindel ist diese Behauptung. 
Gewiß wird die Landbevölkerung oft nicht wissen, was das ist „Sozialismus“ 
oder „Kommunismus", und die Pfaffen, Lehrer, Herren und Amtmänner haben 
ihnen einen heillosen Schrecken davor eingejagt. Wenn wir den Bauern 
aber hier in dieser Schrift am lebendigen Beispiel einmal zeigen, wie dieser 
Kommunismus in Wahrheit und Wirklichkeit in der Praxis 
aussieht, dann wird er ihn wollen. Weil er nämlich sehr schnell erkennen 
wird, daß diese Sozialisierung einfach in der Verwirklichung dessen besteht, 
was er mit seinen eigenen Ideen über die Genossenschaften bei sich zu Hause 
vergeblich wegen der Kapitalsdiktatur zu erreichen trachtet. Warum vergeb 
lich? Das möge jeder selber aus der Broschüre studieren. Er wird dann 
finden, daß bei uns noch die wichtigste.Voraussetzung fehlt, 
die unbedingt da sein muß — das ist die politische Machteroberung*) 
durch die Arbeiterklasse in Stadt und Land! 
In Sowjet-Rußland sind seit der siegreichen Revolution der Boden und 
alle wichtigen Produktionsmittel in der Hand der Allgemeinheit. Land 
*) Siehe hierzu „Der erste Weltkongreß der Bauern“ in Moskau. Verlag „Neues Dorf", Berlin 1924, 
175 Seiten.
	        
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